Wenn nicht Werbung, was dann? Themenfelder?

Vor ein paar Tagen hat Ulrike Schmid ihre Studie „Das Social-Media-Engagement deutscher Museen und Orchester“  auf Scribd online gestellt. Christian Henner-Fehr (CHF) hat sich für seinen Beitrag schon den zentralen Satz aus der Arbeit herausgepickt: „Das Social Web wird nicht zum Dialog mit den Interessierten genutzt, sondern meist, um Informationen auf weiteren Kanälen zu verbreiten“ (S. 42). Da mittlerweile fast jede Kultureinrichtung auf Facebook präsent ist, die Aufmerksamkeitskonkurrenz stetig wächst und die Nutzer nicht mehr bei jeder neuen Seite und jedem neuen Beitrag auf „Gefällt mir“ klicken, stellt sich die Frage, mit was für Inhalten Kultureinrichtungen auf sich aufmerksam machen (und letztlich mehr Besucher gewinnen) können. Dass soziale Medien nicht dafür da sind, um Werbung zu betreiben und auf Veranstaltungen hinzuweisen, steht in jedem Buch über Social Media Marketing. Dass den meisten Kultureinrichtungen das egal ist, zeigt die Praxis. Sie zeigt aber auch, dass nur Erfolg (z.B. viele Visits, Freunde, Interaktionen) hat, wer darüber hinaus Inhalte produziert und Offline-Aktionen durchführt.

Was regt Klicks und Konversationen an?

Laut CHF sollten Kultureinrichtungen „Themenfelder“ besetzen und sich als Experten auf dem jeweiligen Gebiet ausweisen. Hinsichtlich der politischen Legitimation gebe ich ihm vollkommen Recht, zumal die Einrichtungen auch den Kulturauftrag erfüllen müssen. So lautet die Aufgabe von Museen: „Forschen, Ausstellen, Vermitteln.“ (Von einer Steigerung der Besucherzahlen ist erstmal nicht die Rede.) Wie CHF selbst schreibt, kommt bei einem solchen Vorschlag jedoch der Einwand: „Das habe ich schon versucht, nur hat niemand darauf reagiert.“ Sein Vorschlag: mit anderen auf Blogs, Facebook, Twitter etc. den Kontakt suchen und mit diesen in Austausch treten. Gestützt wird diese Idee auch von Werner Lippert vom NRW-Forum, der selbstkritisch sagt: „Der erste Blog war eigentlich ein Blog, der zu sehr selbstzentriert war“ (oben genannte Studie, S. 51 f.). Ohne Frage, über ein mehr an Vernetzung lässt sich sicherlich ein mehr an Erfolg einstellen, die Frage ist nur: wie viel Erfolg?

Wer interessiert sich für Nomaden in der Ukraine?

Wichtig erscheint mir die Unterscheidung zweier Ebenen. Durch die Positionierung auf ein bestimmtes Themenfeld und die Produktion von entsprechenden Inhalten wird die Informationsebene bedient, durch die Vernetzung die Kommunikationsebene. CHF geht davon aus, dass man durch eine entsprechende Vernetzung mehr Leute für die Informationen begeistern kann. Ob dieser Plan aufgeht, hängt m.E. stark vom Thema ab. Beispiel: Die derzeitige Sonderausstellung des Landesmuseums Hannover trägt den Titel „4000 Jahre Nomaden der Ukraine“. Sicherlich kann man dieses Themenfeld online besetzen und sämtliche Informationen gut aufbereitet ins Internet stellen. Die Frage ist nur: wie viele Leute interessiert das? Im Hinblick auf die Besucherzahlen wird sich das vermutlich kaum auswirken. Ernüchternd ist in dieser Hinsicht auch die Aussage von Alfred Wendel von den Duisburgern Philharmonikern. Zum wirtschaftlichen Erfolg der Web 2.0-Aktivitäten äußert er sich wie folgt : „Was man allerdings nach eineinhalb Jahren auch sagen muss, ist, dass sich die Aktivitäten nicht auch gleich im Saal niederschlagen. Man kann nicht sagen, dass sich das Publikum nachhaltig verändert hat oder dass sehr viel mehr Leute im Konzert sind – das ist nicht der Fall“ (Studie, S. 50). Man darf dabei nicht vergessen, dass ein Großteil der Bevölkerung sich überhaupt nicht für Hochkultur interessiert – Social Media Marketing hin oder her. Will man solche Leute in die Philharmonie oder ins Museum locken, ist das mit einem erheblichen Marketingaufwand verbunden. Allein die Inhalte „facebookgerecht“ aufzubereiten und dabei wissenschaftlich korrekt zu sein (als Experte gehört sich das), ist aufwendig.

Vernetzungsprozesse sind Zeitfresser.

So wie es im richtigen Leben dauert, jemanden kennenzulernen und als Freund zu gewinnen, so muss man auch hinsichtlich der Online-Vernetzung Zeit investieren. Lesen, Filtern, Kommentieren, Weiterleiten etc. nimmt Zeit in Anspruch. Ob (speziell kleine) Kultureinrichtungen die notwendigen personellen Kapazitäten haben, um mit dem Tempo auf Twitter mithalten zu können, wage ich zu bezweifeln. Eine ganz andere Sache ist (mal wieder) die Unternehmenskultur. Denn im Hinterkopf schwingt oftmals die Angst mit, dass man die Nutzer durch zu viele Links und Retweets an (Aufmerksamkeits-)Konkurrenten verlieren könnte. Bei aller Liebe zu den Nomaden der Ukraine, so stößt der Otto-Normal-Surfer im Internet doch leicht auf vermeintlich interessantere Sachen. Und dann ist er weg.
Selbstverständlich kann durch die Links zu anderen Websites für die Nutzer ein Mehrwert entstehen. Bei Online-Zeitungen wird beispielsweise oft auf externe Websites verlinkt, eben weil sich die Redakteure dem dadurch geschaffenen Mehrwert bewusst sind. Allerdings muss man auch beachten, dass Kultureinrichtungen keine Kulturzeitschriften sind. Aber vielleicht sollten sie es ja werden.

6 Antworten

  1. Also Deine Behauptung, dass bei Online-Zeitungen oft auf externe Websites verlinkt wird, halte ich für gewagt. Zugegeben: ich habe heute morgen in einem Artikel einen Link zu einem YouTube-Video gefunden, aber das ist doch noch die Ausnahme. Zumindest bei den Online-Ablegern der großen überregionalen Tageszeitungen.

    Zu den Nomaden in der Ukraine: ich würde mir nicht unbedingt die Frage stellen, wer sich für dieses Thema interessiert, sondern mir überlegen, wie ich Leute dafür interessieren kann. Das ist von der Haltung her etwas ganz anderes. Ich erlebe es immer wieder, dass ich in einem Museum auf ein Thema stoße, von dem ich noch nie etwas gehört habe und von dem ich, wenn man mich fragen würde, behaupten würde, dass es mich nicht interessiert. Und plötzlich ist das Interesse da, wegen eines Plakats, eines Bildes, etc..

  2. „Durch die Positionierung auf ein bestimmtes Themenfeld und die Produktion von entsprechenden Inhalten wird die Informationsebene bedient, durch die Vernetzung die Kommunikationsebene.“ Ich sehe das gar nicht als getrennte Ebenen. Wenn die Themen geschickt aufbereitet sind, kann sowohl informiert als auch kommuniziert werden. Ich denke sogar, dass sollte die Intention sein.

  3. @Christian: Zum Glück ist „oft“ relativ 😉 Klar, Zeitungen verlinken am liebsten auf eigene Artikel, aber Spiegel Online beispielsweise verlinkt schon des öfteren zu externen Sites.
    Zu den Nomaden in der Ukraine: In Anbetracht dessen, wie intensiv man sich auf der heutigen Twittwoch über 3200 Tiger unterhalten hat, halte ich fast nichts mehr für unmöglich 😉 Spaß beiseite, ich denke, dass es besonders Volks- und Heimatkundemuseen sowie historische und archäologische Museen es heutzutage echt schwer haben. Das hängt m.E. auch mit einem gewissen gesellschaftlichen Wandel (höhere Mobilität, geringere Heimatverbundenheit, mehr Migranten etc.) zusammen. Unpopuläre und sperrige Themen für Sonderausstellungen zu nehmen, halte ich für mutig, aber aus Marketingsicht, puh, da machen sich die Museen das Leben gewiss nicht einfach.

    @Ulrike: Die Ebenen stehen zugegebenermaßen in enger Verbindung miteinander. Ich würde sie trotzdem erstmal trennen. Die Informationsebene steht m.E. der One-Way-Kommunikation wesentlich näher. Ein Blogbeitrag ist für mich erstmal eine Information. Erst wenn sich daraus eine Diskussion entwickelt, entsteht Kommunikation. Wenn ich als Kultureinrichtung Kommunikation betreiben will, dann muss ich auf Plattformen und Websites von anderen gehen und dort aktiv das Gespräch suchen. Will ich hauptsächlich informieren, tue ich das eher auf meiner eigenen Website oder meinem eigenen Blog.
    Ich sehe das aber auch wie du, dass es die Intention sein sollte, beide Ebenen miteinander zu verknüpfen.

  4. Ich würde das ja schon spannend finden, so ein „Volks- oder Heimatkundemuseum“ mit Hilfe von Social Media zu pushen. Klar ist aber: wenn das klappen soll, wird sich auch im Museum selbst einiges ändern. 😉

  5. Ja, fände ich auch spannend! Wenn du eines kennst, das aufgeschlossen genug ist, dann lass uns das machen. Ohnehin glaub ich ja, dass wir einen „Museumstester“ brauchen, der tote Museen wieder zum Leben erweckt. Meines Erachtens eine ganz klare Aufgabe für das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Der Jugendclub des Sankorntheaters hat übrigens Rach, den Restauranttester, mal vorzüglich parodiert: http://www.youtube.com/watch?v=y8stYMzP3nw. Kennst du denn Rach?

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