Ist Crowdfunding für die Kunst für die Katz?

Crowdfunding wächst und wächst und befindet sich dennoch auf geringem Niveau. Einige medienwirksame Kickstarter-Projekte aus den USA wie das skurrile „Potato Salad“-Crowdfunding oder die krass überfinanzierte Kühlbox „Coolest Cooler“ täuschen darüber hinweg, dass Crowdfunding in Deutschland nach wie vor ein Nischenthema ist, gestartete Aktionen keine Selbstläufer sind und die Finanzierungsziele oft nicht erreicht werden. Es ist verständlich, dass sich der finanziell schwache Kulturbereich nach neuen Einnahmequellen sehnt, doch Crowdfunding taugt dafür nur bedingt.

Traue keiner Crowdfunding-Statistik!

Eine belastbare Statistik zu finden, wie hoch das Crowdfunding-Volumen in Deutschland ist, ist schwer. Die Plattformen kumulieren und frisieren gerne die Zahlen. Startnext hat angegeben, dass im 3. Jahr des Bestehens, also im Zeitraum vom 21.10.2012 bis 20.10.2013, rund 6,3 Mio. Euro über die Plattform gesammelt wurden. Im Crowdfunding-Monitor von Fuer-Gruender.de wird hingegen für 2013 von einem Gesamtvolumen aller deutscher Crowdfunding-Plattformen (und da gibt es eine ganze Reihe) von nur 5,4 Mio. Euro ausgegangen. Ich möchte nicht tiefer ins Detail gehen, aber die Statistiken harmonieren nicht.

Für das komplette Jahr 2014 wurden noch keine Statistiken veröffentlicht, aber Startnext hat für sich alleine 8 bis 9 Millionen prognostiziert. Auch hier gibt es wieder eine Diskrepanz zum Crowdfunding-Monitor. Rechnet man die Statistik der ersten drei Quartale hoch, dürften es demnach letztes Jahr zwischen 8 und 9 Mio. Euro gewesen sein, die auf allen (!) deutschen Crowdfunding-Plattformen eingesammelt wurden. Nicht inbegriffen ist folglich das Geld, das die Deutschen auf den US-Plattformen Kickstarter und indiegogo gelassen haben – wo die eigentliche Crowdfunding-Musik spielt. Zwischen 2009 und 2014 sollen bei Kickstarter 21,6 Mio. Dollar aus Deutschland geflossen sein. Genauere Angaben gibt’s nicht. 🙁 Bei einem Crowdfunding-Finanzierungsvolumen-Tippspiel würde ich tippen, dass in Deutschland letztes Jahr 15 Mio. Euro via Crowdfunding ausgegeben wurden. Kleiner Äpfel-mit-Birnen-Vergleich: Das Spendenaufkommen hierzulande lag laut dem Deutschen Spendenrat 2013 bei 4,7 Mrd. Euro, ist also mehr als 300 Mal hoch.

Erfolgsquoten, Dunkelziffern, Lügen

Kickstarter gibt eine durchschnittliche Erfolgsquote von rund 40 Prozent an (Stand: 10.01.2015), bei Startnext sollen es (richtig gerundet) 55 Prozent sein, bei Indiegogo seien es laut The Verge nur 10 Prozent. Es ist also keinesfalls die Regel, dass Projekte erfolgreich abgeschlossen werden. Ob die Initiatoren das Geld der Crowd trotzdem bekommen, hängt von der Plattform ab: Bei Kickstarter und Startnext ist das nicht der Fall, bei Indiegogo hingegen schon (weshalb hier die Finanzierungsziele eventuell bewusst höher gesetzt werden).

Wenn man mit Crowdfunding-Initiatoren spricht, bekommt man mit, dass diese sehr stark daran interessiert sind, dass ihr Projekt erfolgreich gefundet wird. Entsprechend wird während der Finanzierungsphase geschaut, wie gut es läuft und mitunter privates Geld reingebuttert. Wer sich beispielsweise ein Ziel von 10.000 Euro gesetzt hat und bis kurz vor Projektende von der Crowd 9.500 Euro zugesagt bekommen hat, der wird häufig – weil er ja schon sehr weit gekommen ist – die restlichen 500 Euro selbst dazugeben. Weil sich Erfolgsmeldungen schlecht verkaufen, wird das Scheitern also tunlichst vermieden – selbst wenn man draufzahlt. In den Statistiken tauchen solche Methoden natürlich nicht auf und öffentlich geredet wird darüber kaum, schließlich haben daran weder die Plattformen noch die Projektinitiatoren Interesse. So kann man bei Startnext gescheiterte Projekte auch nur sehen, wenn man eingeloggt ist.
Auf der Düsseldorfer Plattform Crowdrange werden gescheiterte Projekte mit „Crowdfunding erfolgreich abgeschlossen“ gekennzeichnet (siehe Projekt „SPD OB-Kandidat Thomas Geisel“  (Screenshot) und „40 Grad Urban Art Festival“ (Screenshot)). Ich halte eine solche Kennzeichnung nicht nur für irreführend, sondern für eine dreckige Lüge.

Kunst auf Kickstarter

Obwohl nicht alles Gold ist, was glänzt, ist Crowdfunding im Aufwind – insbesondere Kickstarter hat dazu in den vergangenen Jahren einiges beigetragen. Die Plattform kann allerdings von Initiatoren aus Deutschland momentan nicht offiziell genutzt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das 2015 ändern wird, ist aber hoch (siehe Meedia-Bericht), was dem Thema Crowdfunding hierzulande neuen Wind einhauchen könnte.

Im Durchschnitt werden auf Kickstarter pro Projekt 7.400 Dollar eingesammelt, pickt man sich nur die erfolgreichen raus, also jene, die das Geld nach Abschluss der Crowdfunding-Aktion auch erhalten, sind es 16.500 Dollar. Im Bereich der Bildenden Kunst („Art“) ist es deutlich weniger: Hier erhält ein Projekt durchschnittlich 3.000 Dollar, der Schnitt bei den erfolgreichen liegt bei 5.800 Dollar (siehe Kickstarter Stats, Stand: 11.01.2015). Das mag für eine einzelne Person oder für die Finanzierung einer kleinen Ausstellung viel Geld sein, für eine Institution ist das fast nichts, zumal man immer berücksichtigen muss, dass es beim Crowdfunding – anders als bei einer Spende (!) – in der Regel eine Gegenleistung gibt. Man generiert also Umsatz und macht nicht zwingend Gewinn.

Beispiele für „crowdgefundete“ Kunstprojekte

In der Liste, der am höchsten finanzierten Crowdfunding-Projekte findet sich kein Kunstprojekt im engeren Sinne (das Tesla Museum würde ich nicht dazu zählen). Dennoch gibt es natürlich auch aus dem Kunstbereich viele schöne und beeindruckende Beispiele. Marina Abramović hat beispielsweise 660.000 US-Dollar eingesammelt, um in New York ihr eigenes Institut zu gründen, in dem zukünftig Performances mit einer Dauer von über sechs Stunden stattfinden sollen. Ohne den Bekanntheitsgrad der Künstlerin, die u.a. 1997 den Goldenen Löwen bei der Biennale von Venedig gewann, wäre die Aktion vermutlich nicht erfolgreich gewesen. Dass Lady Gaga sich zur Bewerbung der Crowdfunding-Aktion nackig gemacht hat und Jay-Z sechs Stunden mit Abramović performt hat, hat sicherlich ebenfalls nicht geschadet.

Dass via Kickstarter Ende vergangenen Jahres 102.000 Dollar gesammelt werden konnten, um die Pazzi-Kapelle in Florenz zu restaurieren, ist bemerkenswert, denn die Aktion passt nicht so richtig ins Crowdfunding-Muster. Eine Restaurierung ist weder besonders cool noch emotional packend und dürfte für Leute unter 50 daher eher uninteressant sein. Auch einen Promi-Faktor gab es nicht. Zudem waren die angebotenen Gegenleistungen nicht besonders innovativ und die Sache an sich lokal gebunden. Auch der Fakt, dass eine italienische Organisation auf einer US-amerikanischen Plattform ausschließlich auf Englisch versucht, Geld einzusammeln (und dann auch noch gleich 90.000 Dollar will) trägt eigentlich nicht gerade dazu bei, die Erfolgschancen zu steigern. Hätte man mich im Vorfeld gefragt, ob das Projekt erfolgreich finanziert wird, hätte ich dagegen gewettet. Sofern das alles mit rechten Dingen zuging, muss man aber sagen: „Chapeau!”

Dass man WALLONWALL über Crowdfunding finanzieren kann, hätte ich schon eher erwartet. Eine Fotoausstellung, bei der auf der Berliner Mauer heutige Grenzmauern großformatig gezeigt, zieht im Vergleich zu einer Restaurierung deutlich mehr. Da Initiator Kai Wiedenhöfer die Fotos schon geschossen hatte, sie also nur noch groß ziehen musste, war das Projekt auch sehr anschaulich und greifbar. Die benötigten 13.000 Pfund waren als Finanzierungsziel nicht gerade wenig, andererseits ist beispielsweise 50 Pfund für ein Buch zur Ausstellung als Unterstützung ein durchaus vertretbarer Preis. Und dann war die Ausstellung eben auch in Berlin und nicht in Pusemuckel.

Auch Ankäufe sind prinzipiell mittels Crowdfunding finanzierbar. So wurde beispielsweise Ende 2014 der Ankauf der Jonathan Monk Skulptur für die Nationalgalerie Berlin via Startnext realisiert. Vermutlich hätten die Freunde der Nationalgalerie den Betrag auch anderweitig zusammenbekommen – 7.500 € wurden ja bereits im Rahmen einer eintägigen Tombola gesammelt – dennoch finde ich diese Aktion ein gelungenes Beispiel, wie sich Museen und Fördervereine dem Thema Crowdfunding nähern können, ohne allzu viel in die Waagschale zu legen oder eine Blamage zu riskieren.

Es gibt noch viele weitere schöne Projekte aus dem Museums- und Kunstbereich, doch sollte man wie bereits betont auch die gescheiterten Projekte vor Augen haben: Das Naturhistorische Museum Wien wollte beispielsweise einen Mondmeteoriten für 110.000 Euro erwerben (und bekam nur 8.500 Euro) und die Künstlerin Sylwia Synak, die 3.500 Euro für eine Ausstellung am Münchner Flughafen benötigte, wurde nur mit 10 Euro unterstützt (Screenshot). Auch das passiert.

Fazit: Ausprobieren!

Als (Vor-)Verkaufsplattform für technische Innovationen und zur Finanzierung von Games-, Musik-, Film- und Buchprojekten wird Crowdfunding zunehmend wichtiger. Insbesondere, wenn Kickstarter dieses Jahr nach Deutschland kommt, könnte es hierzulande einen schon lang erwarteten Schub fürs Crowdfunding geben. Gleichwohl darf man nicht vergessen, dass Deutschland nicht die USA ist und der Umgang mit Geld ein anderer ist. So Spenden beispielsweise Amis pro Kopf rund fünf Mal so viel. Dass Crowdfunding hierzulande in absehbarer Zeit denselben Stellenwert wie in den USA erreicht, darf entsprechend bezweifelt werden.

Apropos Spenden, damit hat Crowdfunding nur wenig zu tun. Das kann man gar nicht oft und stark genug betonen. Ja, es gibt Unterstützer, die für ein „Dankeschön“, fünf oder zehn Euro spenden, für größere Beträge möchten die meisten jedoch eine entsprechende Gegenleistung haben – und die verursacht Ausgaben. Im dümmsten Fall schließt man eine Crowdfunding-Aktion erfolgreich ab und macht dennoch Verlust. Und vielleicht ist auch das ein Grund, weshalb Crowdfunding für viele Projektemacher gar nicht mal sooo interessant ist.

Gleichwohl greift es zu kurz, Crowdfunding nur als Finanzierungsart zu sehen. Ohne Werbung, ohne PR funktioniert Crowdfunding nicht. Doch wenn es gut läuft, bekommt man als Initiator von der Crowd nicht nur Geld, sondern auch Aufmerksamkeit für das „Produkt“ und für sich. Bei einem Ausstellungsprojekt beispielsweise kann man durch eine gelungene Crowdfunding-Aktion später Marketing-Ausgaben für die eigentliche Ausstellung einsparen.

Um zum Fazit des Fazits zu kommen: Nach wie vor ist es für Künstler, Kulturmanager, Fördervereine und Museen eine gute Zeit, um Crowdfunding mal auszuprobieren. In erster Linie sollte es dabei aber nicht ums Geld, sondern ums Erfahrung sammeln gehen. Das heißt auch, mit einem kleinen Projekt zu beginnen (wie es die Nationalgalerie Berlin getan hat) und gegebenenfalls ein Scheitern in Kauf zu nehmen. Unerfolgreiche Projekte sind beim Crowdfunding wie gesagt nicht die Ausnahme, sondern die Regel – auch dessen sollten sich Initiatoren bewusst sein.

Eine Antwort

  1. Sehr guter Artikel. Ich habe selber erfolgreich eine Kampagne über Startnext erfolgreich zu Ende gebracht für ein Projekt im Klassikbereich. Ich denke, dass jeder Künstelr sich auf jeden Fall mit der Materie auseinandersetzen sollte. Denn wann gab es zuvor solch eine Chance überhaupt zugang zu Mitteln zu bekommen. Daher kann ich nur das unterstriechen was hier geschrieben wird: „ausprobieren“

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