Klein-Kulturpolitik

Kulturpolitik: Wer verändert jetzt was?

In wenigen Tagen geht Prof. Armin Klein in den Ruhestand, im Dezember hat bereits der Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner sein Amt aufgegeben. Beide wollten eine kulturpolitische Neuausrichtung und eine Umverteilung der Kulturgelder, beide bekamen heftigen Gegenwind. Der aus der Musikbranche stammende Renner ein paar Jahre lang, Klein über Jahrzehnte hinweg. Zwei Unbequeme gehen also, doch die Probleme bleiben.

„Besitzstandswahrung“ heißt das Phänomen, das dafür sorgt, dass sich im öffentlichen Kulturbereich kaum was verändert. In den Kommunen und Länder sind durch institutionelle Förderungen meist weit über 90 Prozent der Kulturgelder gebunden, Budget für neue kulturelle Ausdrucksformen oder Experimente gibt es kaum. Einrichtungen, die immer schon Geld bekommen haben, bekommen auch weiterhin welches, die anderen gehen leer aus. Klein kritisiert das schon seit langem und immer wieder aufs Neue, doch seine Worte sind in der Vergangenheit leider allzu oft im Raum verhallt. Und wenn man wie Tim Renner versucht, die Kulturinstitutionen inhaltlich neu auszurichten – Dercon für Castorf an der Volksbühne, Waltz und Öhman für Duato am Staatsballett Berlin – bezieht man Prügel von fast allen, die in der Kulturszene was zu sagen haben. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Kulturpolitiker ohnehin nur mit der Nagelfeile agieren können, können sie noch nicht mal mit dieser frei hantieren. Die Folge: Alles bleibt wie’s ist.

Innovation in der Schuhschachtel

Deutschland verharrt somit kulturell in der Vergangenheit, in der Pflege und Bewahrung seiner Kulturschätze. Innovationen gibt es kaum, sie finden allerhöchstens innerhalb des geschlossenen Systems statt. Doch eine Oper mit aufwendigem Projektionsmapping bleibt unterm Strich eine Oper, ein Museum mit einer Ausstellung über die digitale Identität ein Museum. Solche Innovationen in der Schuhschachtel sind natürlich besser als gar keine Neuerungen, als Opern, die Inszenierungen aus den 1960-ern aufführen und Museen, die nur die Reihenfolge der Bilder in der Dauerausstellung ändern. Trotzdem darf das nicht der Anspruch einer Kulturnation sein, denn diese muss sich immer und immer wieder neu erfinden.

Kultur-Startup gründen oder das Geld lieber gleich verbrennen?

Innovationen auf den privaten, kommerziellen Sektor abzuwälzen und sich am besten im gleichen Atemzug noch über dessen geringes künstlerisches Niveau zu beschweren, ist billig. In Kulturmanagement-Studiengängen wird zwar gerne von Cultural Entrepreneurship geredet und Studierenden beigebracht, wie man einen Business-Plan schreibt, in der Praxis jedoch wäre es verrückt, tatsächlich ein Kulturunternehmen im engeren Sinne zu gründen, da der Sektor von Subventionen verseucht ist. Nicht nur bringt also die bisherige Kulturförderung kaum Innovationen hervor, sie sorgt auch dafür, dass neue Akteure kaum eine Chance haben, auf dem Markt zu bestehen, da die öffentlichen Einrichtungen erstens eine enorme Masse an „Produkten“ (Veranstaltungen, Ausstellungen etc.) generieren und diese zweitens günstig anbieten können – oder sogar müssen, um auch Einkommensschwachen den Zugang zur Kultur zu ermöglichen #Kulturauftrag.

Die USA als kultureller Vorreiter 😱

Dass Deutschland einen Elon Musk der Kultur hervorbringt, der durch sein Wirken ein branchenweites Umdenken, wie es gerade im Automobilsektor stattfindet, erzeugt, ist unter den genannten Umständen äußerst unwahrscheinlich. Und das ist traurig, denn dadurch kommt die Kultur von heute, die morgen die stolz gefeierte Kultur von gestern sein wird, nicht aus Deutschland, sondern natürlich: aus den USA.

Gleichzeitig schaffen es die Kultureinrichtungen trotz der Subventionen noch nicht einmal, sich im Gleichschritt mit der Gesellschaft weiterzuentwickeln. Momentan profitieren die Kulturinstitutionen zahlenmäßig von den vielen Rentnern, die finanziell gut ausgestattet und noch fit genug für Kulturbesuche sind. Doch der demografische Wandel wird sich schon bald negativ auswirken. Wie schwer sich Museen mit einem einfacheren Zugang tun, der insbesondere auch die Barrieren für Menschen mit Migrationshintergrund senkt, hat vor kurzem die Stuttgarter Zeitung schön beschrieben („Die Angst vor dem offenen Haus für alle“). So verschwindet die Kunst und Kultur zunehmend aus dem öffentlichen Diskurs, da sie nur noch einen kleiner werdenden Teil der Gesellschaft bedient.

Schöne Tote

Sicher, es gibt viele Kulturgebäude, die mit ihrer Erhabenheit zu einem ästhetischen Stadtbild beitragen, doch wenn sie kaum besucht werden, sind sie nichts mehr als schöne Tote. Bezeichnend ist ein Artikel des Express‘, der in der Diskussion um die Sanierung des Düsseldorfer Schauspielhauses (die insgesamt wohl 40 bis 50 Millionen kosten wird) mit „Rettet unser Postkarten-Idyll“ betitelt ist. Obgleich das Boulevard-Magazin nicht das Maß aller Dinge ist, ist die dahinter stehende Aussage mehr als fatal: Es geht ums Gebäude, nicht um den Inhalt. Und das wirft Fragen auf: Wenn Kirchen zu Restaurants umgebaut werden, warum sollte dann aus einem Theater nicht ein Kongresszentrum werden? Könnte das Schauspiel stattdessen nicht im öffentlichen Raum und an „nicht-kulturellen“ Orten spielen? Wozu braucht man in Düsseldorf denn ein Theater mit über 1.000 Sitzplätzen, in dem das Ensemble regelmäßig vor halbleeren Rängen auftritt?

Unbequem bleiben

Fragen wie diese könnten auch von Armin Klein stammen, dessen letztes Buch „Der Kulturinfarkt“ vor allem als Aufruf zur Veränderung verstanden werden kann. Kulturpolitik neu denken und entsprechend handeln, fordern die vier Autoren darin. Kleins Unabhängigkeit wird dem Kulturdiskurs fehlen, denn von Personen, die direkt oder indirekt am Tropf der bisherigen Kulturförderung hängen, ist kaum Veränderung zu erwarten. Tim Renner wiederum ist zwar als Kultursenator weg, hat aber im Zuge seines Abgangs angekündigt, kulturpolitisch auf Bundesebene aktiv zu werden. Wenigstens etwas.

Eine Antwort

  1. Ein schöner Artikel. Danke für die deutlichen Worte!

    Besonders gut gefällt mir der folgende Abschnitt:

    Nicht nur bringt also die bisherige Kulturförderung kaum Innovationen hervor, sie sorgt auch dafür, dass neue Akteure kaum eine Chance haben, auf dem Markt zu bestehen, da die öffentlichen Einrichtungen erstens eine enorme Masse an „Produkten“ (Veranstaltungen, Ausstellungen etc.) generieren und diese zweitens günstig anbieten können…

    Tatsächlich wird wenig gesehen, dass staatliche Kulturfinanzierung die Preise drückt und dadurch andere Anbieter benachteiligt. Hans Abbing hat nachdrücklich darauf hingewiesen.

    Zu den „schönen Toten“ darf ich mir vielleicht erlauben auf die Problematik anhand der Thomas-Mann-Villa in Los Angeles hinzuweisen. Auf meinem Blog:

    http://thinglabs.de/2016/11/die-thomas-mann-villa-in-los-angeles-als-kultraum/

    Herzliche Grüße
    Stefan

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