Theatercamp: Social Media is not everything

Am 11.11.2012 findet in Hamburg das Theatercamp statt. Mitorganisatorin Karin Janner sagt, es gehe um Theater und das Social Web. Das ist gut, denn das volle Potenzial von Social Media wird noch immer genutzt. Gleichzeitig stellt sich die Frage: Was hat sich in den letzten ein, zwei Jahren eigentlich groß im Social Web verändert? Gibt es nichts Spannenderes?

Facebook ist weiter gewachsen und hat sich weiter unbeliebt gemacht. Mittlerweile sind wir nicht nur „logged in“, sondern auch „locked in“. Und weil sich alle dort tummeln, kann sich Facebook auch erlauben, den Edgerank nach Belieben zu verändern und so Seitenbetreiber zu verärgern. Im Schnitt werden laut we are social nur noch zwölf Prozent der Seitenbeiträge den Fans angezeigt. Wer mehr Sichtbarkeit/Reichweite haben möchte, muss zahlen. Thomas Hutter findet das nicht schlimm, Thomas Knüwer ist geteilter Meinung.

„Cat sells“ als Content-Strategie für Facebook?

Ich persönlich teile die Ansicht von Markus Neubert und glaube das Märchen vom guten Content („Facebook will nur die Qualität der Inhalte steigern“) nicht. Das Problem ist, dass „gut“ bei Facebook „unterhaltend“ bedeutet. Wer eine hohe Reichweite und vor allem kurzfristig Erfolg haben möchte, sollte sich deshalb bei seinen Posts an die offiziellen Tipps für Facebook-Werbung halten: alles immer schön „eye-catching“ und „action-oriented“ gestalten und nur mit wenig Text versehen. Oder weniger polemisch: Interaktionen sind gefragt, Content-Strategien müssen her! Statt über den Edgerank zu jammern (man kann ja eh nichts ändern), sollten sich die Theatercamper deshalb fragen, wie sie damit umgehen. Was für Strategien gibt es in den einzelnen Häusern? Wie werden die bisherigen Erfahrungen mit Sponsored/Promoted Posts beurteilt? Gibt es überhaupt welche? Sollte man sich verstärkt mit anderen Plattformen und Netzwerken beschäftigen und idealerweise einen Blog aufsetzen (wie u.a. Christian Henner-Fehr empfiehlt)? Wie stehen bloggende Theater zu diesem Rat? Allgemeingültige Antworten wird man auf diese Fragen freilich nicht bekommen, aber den Austausch darüber halte ich für extrem wichtig, denn er zeigt, wohin die Reise geht. Und das schöne im Theaterbereich ist ja: Man steht nicht in Konkurrenz zueinander und sollte (eigentlich) offen und ehrlich über seine Erfahrungen sprechen können. Und das Beste am Theatercamp ist: Viele Experten sind vor Ort und Karin Janner wird eine Session über Community Aufbau im Social Web halten.

QR-Codes: quo vadis?

Abseits von Social Media ist viel in Bewegung, fangen wir beim Thema QR-Code an: das Startup LiveQR wird in Hamburg vor Ort sein. Wie der Name schon andeutet, hat sich das von zwei Kulturmanagement-Studentinnen aus Ludwigsburg mitgegründete Jungunternehmen auf QR-Code-Marketing und Mobile Tagging spezialisiert. Ich persönlich habe allerhöchsten Respekt vor der Ausgründung und bewundere ihren Mut, allerdings reißt mich die Geschäftsidee nicht vom Hocker. Denn erstens ist davon auszugehen, dass Smartphones in wenigen Jahren Texte scannen und verarbeiten können (so dass QR-Codes für einfache Links nicht mehr benötigt werden), und zweitens kann man sich schon heute QR-Codes kostenlos im Netz erstellen (warum braucht man dann eine Agentur?). Schade, dass ich nicht beim Theatercamp sein kann, denn auf die flammende Gegenrede hätte ich mich gefreut.

Macht sich livekritik selbst das Leben schwer?

Ein weiteres Startup ist mit Rod Schmidt von livekritik.de vor Ort. Auch hier: Chapeau claque! Die Plattform macht im Vergleich zu nachtkritik.de einen wesentlich moderneren, schickeren, aufgeräumteren Eindruck, die Lage ist aber ein bisschen wie beim Duell “Facebook vs. Google+”. Die eine Plattform ist etabliert und hat viele Nutzer, die andere ist in vielen Aspekten überlegen, hat aber nur wenig Nutzer. Ja, ok, neben dem Look and Feel ist auch die Zielgruppe von livekritik eine andere; sie ist nicht nur auf Theatergänger, sondern auch auf Besucher von Klassik-, Pop- und Jazzkonzerten, Shows, Ausstellungen und Lesungen ausgelegt; doch warum müssen sich die Zielgruppen überhaupt überschneiden? Wäre es für livekritik nicht wesentlich einfacher und besser gewesen, sich auf den Ausstellungs-/Museumsbereich zu konzentrieren?! Anders ausgedrückt: Wir haben in Deutschland über 6.000 Museen und noch viel mehr Ausstellungen, aber keine Plattform, wo darüber geredet wird. Das museale Äquivalent zu nachtkritik fehlt!

„Mobile is everything“

Das hat Mark Zuckerberg vor zwei Monaten gesagt. Aber wer sich mit dem Internet beschäftigt, sollte eigentlich schon vorher gewusst haben, dass man um das Thema „Mobile“ nicht drum rumkommt. Das heißt nicht, dass jedes Theater eine App für iOS, Android und Windows8 Phone entwickeln muss (ganz im Gegenteil, ich denke, dass eine App nur in den seltensten Fällen sinnvoll ist), aber es bedeutet, dass jede Kultureinrichtung schauen sollte, dass sich ihre Website auch mit einem Smartphone und Tablet gut bedienen lässt. Das fängt mit der Entfernung aller Flash-Inhalte an und geht weiter mit der Frage, ob man eine mobile Websites erstellt oder gleich seine Website relauncht und auf Responsive Design setzt (vermutlich die klügere Wahl). Selbstredend, dass sowas ordentlich Geld kostet, aber es führt wie gesagt kein Weg dran vorbei. Tut mir Leid, liebe Kultureinrichtungen (herzlichen Glückwunsch allen Webdesignern und -entwicklern!).

Der ROI oder: Battle of the Year

Ein heißer Kampf könnte auf dem Theatercamp in Bezug auf Sinn und Unsinn des Return On Investments (ROI) ausgetragen werden. Im Ring steht auf der einen Seite Kulturmanagement-Blogger Nr. 1 Christian Henner-Fehr, der es für sinnvoll hält den Wert von Social Media monetär darzustellen, auf der anderen Seite faucht Vioworld-Geschäftsführer und timel-ne-Mitgründer Hagen Kohn, der die Sache mit dem ROI für totalen Quatsch hält. In den Kommentaren und auf Facebook ging es bereits rund, allerdings sah es zuletzt so aus, als ob bei beiden schon jetzt eine vorweihnachtliche Harmoniesucht zum Vorschein kommt. Hoffentlich nicht.

5 Antworten

  1. Ich glaube auch, dass es eine Illusion ist, dass qualitativ hochwertiger Content zu Klicks, Likes und Interaktionen führt. Qualität und Facebook, das passt nicht wirklich zusammen. Aber es wird noch dauern, bis diese Botschaft wirklich angekommen ist.

    Die Battle of the Year wird nicht stattfinden, denn die meisten Kritiker haben meine Beiträge gar nicht gelesen. Sonst hätten sie schon mitbekommen, dass es mir nicht um den ROI von Social Media geht, den es gar nicht geben kann, weil ich 1.000 Follower nicht in Euro abbilden kann. Aber ich bemühe mich weiter um Aufklärung. 😉

  2. @Axel @Christian
    Ich teile eure Bedenken gegenüber FB absolut und denke, dass wird sicher ein Thema beim #tchh sein. Ich persönlich würde gerne empfehlen: vergesst Facebook, wenn ihr Qualität transportieren und eure Zielgruppe direkt erreichen wollt. Aber leider ist das Netzwerk (noch) zu wichtig, um es ignorieren zu können. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, wie FB arbeitet und für welche Ziele es wirklich taugt.

    Zum ROI: Weihnachtliche Harmoniesucht ist nicht zu befürchten, aber dass Christian NICHT dafür plädiert, den Wert von Social Media rein monetär darzustellen, habe ich mittlerweile verstanden 🙂
    Tatsache ist jedoch, dass es hier im Wesentlichen zwei Positionen gibt: auf der einen Seite die „Bauchmenschen“, die erst mal loslegen (so sie die Möglichkeit haben) und sich später Fragen, ob sich aus den Erfahrungen eine Strategie ableiten lässt – auf der anderen die kühlen Rechner, die aus meiner Sicht zu wenig Freiraum für Kreatives, für Experimente lassen. Wer nur auf Zahlen und Fakten setzt, erhält am Ende langweiligen Convenience-Brei, das hat Steve Jobs ex negativo bewiesen.
    Aber ich bin sicher, dass hier langsam ein Umdenken stattfindet und in Zukunft mehr nach den „Soft Goals“ (gibt es den Begriff?) gefragt werden wird.

  3. Moin moin, ja, wirklich Schade, dass du morgen nicht dabei bist.
    Ich hoffe, dass wir in den Sessions ein bisschen zur Frage kommen, was denn Qualität bzw. hochwertiger Content (für Theater) ist. Ist qualitativer Content etwas, was einem Theater 20 neue Besucher in eine Vorstellung bringt, die vielleicht vorher noch nicht im Theater waren? Oder die Auseinandersetzung mit der modernen Bearbeitung eines 200 Jahre alten Theaterstückes?
    Und da bin ich voll auf Hagens Seite. Wenn wir nicht wissen, was wir erreichen wollen, können wir auch nicht sagen, welche Plattformen und Tools uns helfen können. Das muss nicht immer eine perfekt ausgearbeitete Strategie (kühle Rechner) sein, aber auch für Bauchmenschen hilft es zumindest ein Ziel zu haben, dass aussagekräftiger ist als „wir müssen auch dabei sein“.
    Bis morgen
    Jona

  4. Ein Battle ist toll. Ich mag das, wenn Menschen mal wirklich heftig für ihre Positionen einstehen. Und ich finde in diesem „Battle“ steckt Potenzial. Denn es ist einfach wirklich so, dass man beide Positionen mit gleicher Wichtigkeit an den Start gehen lassen kann. Als Kreative bin ich natürlich sofort und immer auf Hagens Seite. Als Dienstleisterin werde ich immer und ständig auf Christians Seite gedrückt! Also, ich säße auf jeden Fall mitfiebernd am Ring! Und natürlich folge ich euch live beim #tchh

  5. Danke erstmal für die Kommentare!
    Den Livestream hab ich leider nicht gesehen, sondern nur gestern Nacht mal die #tchh-Tweets überflogen: scheint alles friedlich abgelaufen zu sein. Ich hoffe, es erscheinen noch ein paar Blogposts über das Theatercamp, in denen steht, über was diskutiert wurde und bei welchen Themen noch Informationsbedarf herrscht. Das Programm war ja mit fünf Parallelsessions (siehe http://goo.gl/x6s4O) prall gefüllt.

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