Es kommt nicht alle Tage vor, dass Facebook auf die Bedürfnisse seiner Nutzer eingeht, doch die Einführung des „Premium Message Service“ (PMS) überrascht wenig, schließlich handelt es sich um ein Win-Win-Geschäft. Facebook profitiert von zusätzlichen Einnahmen und die Nutzer von relevanten Nachrichten. Da der PMS in Kürze auch FB-Seiten zur Verfügung stehen wird, ist der Dienst auch für Kultureinrichtungen interessant.
Facebook-Nutzer von Freunden genervt
Bereits im April 2012 führte das unabhängige Meinungsforschungsinstituts Poll U.T.E., eine Umfrage unter 1.000 Jugendlichen aus 27 Ländern durch, bei der die Teilnehmer gefragt wurden, was sie an Facebook stört. Dabei gaben satte 89 Prozent an, dass sie von ihren Freunden genervt seien, da diese ihnen über Facebook Messenger belanglose Nachrichten zuschickten. Da die Höflichkeit es aber geböte zurückzuschreiben, würde sich daraus in der Regel ein längerer, oft stundenlanger Chat ergeben, der für beide Seiten oft nur die Erkenntnis brächte, dass man heute wieder nichts geschafft habe. Im deutschsprachigen Internet wird dieses Krankheitsbild „LRKS“ genannt („Lange Rede, kurzer Sinn“). Neu ist es nicht: erstmalige Erwähnung findet es bereits 1799 in Schillers Wallenstein. Im Drama leidet die Figur Buttler unter LRKS.
Der Premium Message Service im Detail
Die Funktionsweise des PMS ist schnell erklärt: Die von Nutzern versandten Premium-Nachrichten werden den Empfängern automatisch auf dem Smartphone und auf Facebook eingeblendet – ähnliche wie Pop-Up-Werbung auf Websites. Doch während Werbeeinblendungen unmittelbar nach dem Aufpoppen weggeklickt werden können, werden PMs nach einem Klick auf „Ja, ich habe die PM gelesen“ dem Nutzer noch längere Zeit eingeblendet: pro Zeichen eine Sekunde. Bei einer 140 Zeichen langen Nachricht beträgt diese so genannte After Click Penetration (ACP) entsprechend 140 Sekunden. Dass dieser Dienst nicht gerade preiswert ist, liegt in der Natur des Premiums: pro Zeichen zahlt man einen Cent. Um bei obigem Beispiel zu bleiben: eine 140 Zeichen lange Nachricht kostet 140 Cent. Auf der Pressekonferenz im kalifornischen Palo Alto beschrieb Mark Zuckerberg das Preismodell als „the only simple thing on Facebook“. Auf die Frage, wie Facebook auf diese Innovation gekommen sei, antwortete er: „We were watching videos on YouTube and enjoyed the not-skippable ads a lot.“
PMS begeistert Frauen
Die Einführung des Premium Message Service wurde von allen Seiten positiv aufgenommen. An der Börse erhoffen sich Anleger vom neuen Dienst neue Einnahmen und beten, dass sich mit ihm die magische Marke von 38 US-Dollar pro FB-Aktie knacken lässt – dieser Spitzenwert wurde zuletzt bei der Ausgabe der Aktien im Mai 2012 erreicht (derzeit liegt er bei 25 US-Dollar). Auch andernorts wird der Dienst gelobt: Eltern sehen in dem Service eine ganz neue Chance, mit ihren Kindern in Kontakt zu treten. Super Nanny Katharina Saalfrank dazu: „Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass in 97,4 Prozent aller Fälle Kinder ihren Eltern nicht zuhören. PMS ermöglicht es Eltern, die Kernaussagen von Gesprächen zusammenzufassen und sie den Kindern aufs Handy zu beamen. Die Zeiten der stillen Treppen und Wuthöhlen sind damit vorbei.“
Die Facebook Community zeigt sich ebenfalls begeistert. Besonders weibliche Nutzer fühlen sich vom neuen Dienst angesprochen. So herrscht auf der TalkTalkTalk-Seite Einigkeit darüber, dass bislang eine Einladung zum gemeinsamen Kaffeetrinken vorab mindestens drei Mal bestätigt werden mussten: unmittelbar nach Versand der Einladung, einen Tag vor dem Event sowie am Tag des Kaffeetrinkens („Friendly Reminder“). Alice Schwarzer findet PMS gut, weil „wir Frauen dadurch endlich wieder mehr Zeit haben, um uns zu emanzipieren.“ Ob mit den kostenpflichtigen Nachrichten jedoch eine neue Verbindlichkeit und ein sparsamer Umgang mit Kommunikation einhergehen, steht bislang noch in den Sternen.
Bühnenverein fordert kostenfreie Premium Nachrichten
Wann der PMS für FB-Seiten genau eingeführt wird, ist noch nicht bekannt. Dass er kommen wird, steht aber fest. Sind Premium-Nachrichten eine Chance für Kultureinrichtungen, die schon seit jeher beklagen, dass sich über Social Media keine Inhalte vermitteln ließen? Der Geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins Rolf Bolwin glaubt das nicht: „Bei Internetinhalten wird das olfaktorische System des Menschen, das die Vermittlung von schweren und komplexen Inhalten positiv unterstützt, nicht angesprochen. Das Netz ist geruchsneutral, weshalb ich Theatern rate, in Sachen Kommunikation weiterhin auf Print zu setzen.“ Trotz seiner Skepsis hat er bereits einen handschriftlichen Brief an Facebook verfasst, in dem er Mark Zuckerberg persönlich auffordert, allen Theatern 100 Frei-PMs pro Monat zukommen zu lassen. Auf die Frage, warum er dies fordere, argumentierte Bolwin: „Theater muss sein!“