Das FFT (Forum Freies Theater) ist mein absolutes Lieblingstheater in Düsseldorf. Wenn man kreativen Input braucht, was Wildes, Rohes und Unverbrauchtes sehen will, geht man in Düsseldorf nicht ins Schauspielhaus, sondern ins FFT. Dafür liebe ich es. Zur neuen Spielzeit wurde ein Leiter für die Abteilung Marketing/Kommunikation gesucht (Screenshot) – eine Stelle, die gut zu mir passen würde. Beworben habe ich mich trotzdem nicht.
Was das FFT so gut macht
Dem Theaterbetrieb wird öfters mal und nicht zu Unrecht vorgeworfen, dass er sich nicht weiterentwickelt, dass er aus seinem Schuhkarton nicht rauskommt, Stücke inszeniert, wie man sie schon vor hundert Jahren auf die Bühne gebracht hat und sich deshalb auch nicht zu wundern braucht, dass vor allem die jungen Leute nicht mehr kommen. Allein, beim FFT ist das nicht der Fall. Hier wird tatsächlich viel experimentiert und versucht, sich selbst und das Theater neu zu erfinden. Da das FFT kein eigenes Ensemble hat, arbeitet es mit freien Theatergruppen, wodurch der Spielplan zwangsläufig sehr dynamisch ist, viel Abwechslung und Überraschungen parat hält. Auch versucht das FFT nicht einfach, Stücke auf die Bühne zu bringen, vielmehr werden die Schnittstellen zu anderen Disziplinen (u.a. Performances, Tanz, Musik, bildende Kunst und Gaming) besetzt. Damit wiederum geht man weitgehend der Gefahr aus dem Weg, mit dem Schauspielhaus oder anderen Häusern in Konkurrenz zu treten.
Die Personalstruktur des FFTs ist schlank: etwa zehn Festangestellte sowie einige Aushilfen schmeißen den Laden und präsentieren rund 300 Veranstaltungen jährlich. Selbst wenn man die Absenz eines Ensembles berücksichtigt, ist das im Vergleich zu anderen Theatern und unter kulturmanagerialen Gesichtspunkten äußerst effizient und effektiv – vor allem, wenn man sich die inhaltlich sehr unterschiedlichen Projekte des FFTs einmal näher anschaut.
Letztes Jahr hat das FFT beispielsweise die „Nachbarschaften“-Reihe ins Leben gerufen, bei der es bei umliegenden Vereinen gastiert hat – unter anderem mit einer Cryptoparty beim Chaosdorf. Und beim Projekt „Game on Stage“ mit der Künstlergruppe Machina Ex wurde die Schnittstelle zwischen Theater und Gaming ausgelotet. In dem Zusammenhang fand beispielsweise auch ein 3D-Druck-Workshop im hiesigen Coworking Space statt. Wo manch einer vielleicht denkt, „Das hat doch nichts mehr mit Theater zu tun!“, denke ich: „Doch, ganz genau sowas sollten Theater machen, genau in eine solche Richtung sollten sie sich öffnen!“
Mehr als ein schöner Nebeneffekt ist, dass man sich dadurch mit anderen vernetzt. Es wird nicht wie in anderen Kulturinstitutionen einmal im Jahr ein Tweetup/Kultup veranstaltet und ansonsten das Networking links liegen gelassen, sondern dauerhaft versucht sich mit anderen zu vernetzen – im realen Leben wie auch virtuell. Über die Social Media Kanäle betreibt das FFT nicht nur Eigenwerbung, sondern weist auf Facebook an einem spielfreien Tag auch mal auf eine andere Veranstaltung in Düsseldorf hin.
Was am FFT auch cool ist: das junge Team. Zumindest nach außen dringt nur, dass die Atmosphäre toll und die Stimmung sehr gut sein soll. So viel Positives… und trotzdem habe ich mich nicht beworben.
Das Problem ist der Theaterbetrieb
Oder besser gesagt: die Arbeitskonditionen in der Theaterbranche. Die sind schlecht. Das ist seit langem bekannt und das hat erst kürzlich eine Vergütungsumfrage von theaterjobs.de wieder belegt. Demnach liegt der Median bei einem Mitarbeiter in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei 1.956 Euro. Natürlich weiß ich nicht, was man im FFT dafür bekommt, aber die freie Theaterszene ist nicht gerade dafür bekannt, dass besonders üppige Löhne gezahlt werden – im Gegenteil. Selbst wenn man berücksichtigt, dass es sich bei der FFT-Stelle um eine Leiterposition handelt, die vermutlich über obigem Median liegt, kann man davon ausgehen, dass man kaum mehr als 2.500 Euro brutto im Monat verdient. Und das ist einfach ein Witz. Zumal ja jemand mit einem Hochschulstudium und mit Erfahrung gesucht wird und davon auszugehen ist, dass man mindestens 50 Stunden pro Woche (vermutlich deutlich mehr) im Theater ist. In der Stellenausschreibung steht das leicht verklausuliert auch drin: „(…) Einsatzbereitschaft über das eigene Aufgabengebiet hinaus, z.B. die Übernahme von Abenddiensten, wird vorausgesetzt.“ Wie in kaum einem anderen Bereich, verschwimmen im Theater Beruf und Freizeit. Und da man im PR- und Marketingbereich natürlich wissen sollte, was da auf die Bühne gezaubert wird, bedeutet das: anschauen! Und zwar im Idealfall alles. So toll es ist, kostenlos ins Theater zu gehen, so sehr kann das auf Dauer nerven. Vor allem, wenn man dadurch ein anderes Hobby quasi aufgeben muss. In meinem Fall wäre das das Lindy Hop tanzen gewesen. Das ist immer donnerstags. Und welcher Tag ist einer von den wichtigsten im Theater? Richtig, der Donnerstag. So wird im Theater schnell aus Spaß Pflicht und aus Freizeit (quasi unbezahlte) Arbeit. Um es im IKEA-Slang zu sagen: „Arbeitest du noch oder lebst du schon im Theater?“ Es kann natürlich sein, dass im FFT alles anders ist, man viel besser verdient und eine geregelte 40-Stunden-Woche hat, aber es wird allerhöchstwahrscheinlich nicht so sein. Denn im Theater ist das nun mal nicht so. Warum das so ist? Der Salary Index erklärt‘s. 😉
Diese „Hard Facts“ waren es, die mich davon abgehalten haben, mich zu bewerben. Bin ich geldgeil? Nein, aber warum sollte ich mich für einen Job bewerben, bei dem ich relativ betrachtet (bezogen auf eine Vollzeitstelle) vermutlich 25 Prozent weniger verdiene als bei meiner jetzigen IHK-Stelle?! Das „Problem“ ist nicht, dass man bei der IHK so exorbitant viel verdient (die Gehälter sind angelehnt an den öffentlichen Dienst), sondern dass man im Theater unterdurchschnittlich wenig bekommt. In Kombination mit den vielen unbezahlten Überstunden ist ein Job am Theater für mich deshalb unattraktiv – auch wenn es hier und da Inseln des Glücks geben mag. Juckt das irgendjemand? Nein, denn das Angebot an gut ausgebildeten Kulturmanagern, die dumm genug leidenschaftlich genug sind, bei einem Theater zu arbeiten, ist riesig. Und auch für mich ist das eine komfortable Situation: mit meiner Dauerkarte kann ich mir weiterhin für unter zehn Euro im FFT richtig gute Sachen anschauen! So werde ich zwar kein Teil des FFTs, aber weiterhin treuer Fan von ihm sein. Und jeder Fußballverein weiß, wie wichtig es ist, einen guten 12. Mann zu haben. 😉
Bonusteil: Was das FFT in Sachen Marketing optimieren könnte
Mich hat zwar niemand gefragt, aber Gedanken gemacht, habe ich mir trotzdem. In Anbetracht dessen, dass das FFT öfters mal experimentelle Sachen zeigt (bei „Wellness“ etwa hat ein Tänzer auf der Bühne ein Ei aus seinem Anus gepresst), ist das Marketing sehr zahm. Das beginnt bei der 2012 gerelaunchten Website, die ordentlich gestaltet ist, aber für ein freies Theater wenig Sturm und Drang hat (der alte Internetauftrtitt war kantiger). Ich finde, dass das FFT etwas mehr Schauspiel Stuttgart wagen könnte; in Stuggi wiederum sollte man sich fragen, ob man nicht deutlich harmloser ist, als das Corporate Design es suggeriert. Bei einem Relaunch sollte man die Website dann auch gleich responsive machen, so dass sie auch auf Smartphones und Tablets ordentlich dargestellt wird. Da die Gestaltung der Website Hand in Hand mit den Printprodukten des FFTs geht, würde ich auch hier etwas mehr Wumms vorschlagen. Die Plakate, Flyer und Spielpläne müssten nicht unbedingt lauter, greller und wilder sein, vielleicht würde schon mehr „Verspieltheit“ reichen. Die Junge Tonhalle, deren Werbeprodukte von dem verdammt guten Düsseldorfer Grafikdesign-Kollektiv moxie umgesetzt werden, macht das hervorragend. Hier ein paar Beispiele:
Braucht man einen Blog? Wenn die Personaldecke so dünn ist wie beim FFT meiner Meinung nach nein. Es sei denn, das Team hat Lust darauf, dann auf jeden Fall. Eine News-Kategorie (wie es sie schon jetzt gibt), die als verkappter Blog taugt und auf der man Neuigkeiten veröffentlichen kann, aber nicht muss, ist da meines Erachtens die bessere Wahl. Braucht das FFT Twitter? Schwierig. Einerseits ja, da das FFT vorne mit dabei sein sollte, andererseits nein, weil es fast keine Besucher bringt, dafür aber, wenn man es vernünftig machen will, relativ viel Zeit kostet. Momentan läuft der FFT-Twitter-Kanal auf Sparflamme (38 Tweets, 83 Follower). Man könnte ihn sicherlich noch aktiver bespielen, aber die Relevanz von Twitter für ein Theater sollte man nicht überschätzen. Deshalb ist das derzeitige Verfahren ok.
Wichtiger ist es meiner Meinung nach, zu bestimmten Anlässen (Valentinstag, Ostern, Muttertag, Weihnachten) Facebook-Werbung zu schalten. Im Idealfall begnügt man sich nicht damit, Pärchen-Tickets für 20 Euro rauszuhauen, sondern versucht, Pakete zu schnüren beispielsweise durch eine Kooperation mit einem Restaurant, einer besonderen Einführung oder einem Künstlergespräch im Nachgang – um jetzt mal ein paar klassische Ideen hervorzukramen.
Bei all dem sollte man die Körperpflege nicht vernachlässigen. Zur Erinnerung deshalb ein Lied von half past selber schuld (eine meiner FFT-Lielingskünstler):
Eine Antwort
Guter Beitrag mit harten Realitätsinput für alle ambitionierten Theater-Kultur-Manager da draußen. Traurig und richtig zugleich. Und nah an dem, was in der Museumsbranche los ist. Es ist leider, wie es ist.