Ein Ärgernis für alle Kultur- und Museumsmanagement-Interessierten ist seit jeher, dass es keine detaillierte (!), öffentlich zugängliche Museumsstatistik gibt. Im Rahmen der Blogparade des LWL-Museums zum „offenen Museum“ möchte ich die Forderung danach deshalb an den Anfang stellen. Auf die Frage, ob Offenheit nicht eine Selbstverständlichkeit ist, gehe ich am Ende ein.
Das Institut für Museumsforschung gibt jährlich die „statistische Gesamterhebung an den Museen der BRD“ heraus, eine klassische „Ja, hhhhmm… ist ja interessant“-Statistik, mit der man nichts anfangen kann. 4.848 Museen haben vergangenes Jahr zwar brav interessante Daten wie die Anzahl der Besuche abgegeben, doch weil man niemandem zu nahe treten will, werden diese vom Institut für Museumsforschung in den Mixer gesteckt und zu Zahlenbrei verarbeitet. Detaillierte Rückschlüsse auf einzelne Museen sind nicht möglich. Namentlich genannt werden lediglich einige Museen, bei denen es im entsprechenden Jahr besonders gut lief. Wie die Vorjahreszahlen dieser Einrichtungen waren… ??? Im Web wird oft über die Filterblase geredet, im Institut für Museumsforschung wird sie produziert. Man bekommt nur die Zahlen, die das Institut herausgibt. Interessant sind aber nicht die gefilterten/zensierten Daten, sondern das Rohmaterial, beispielsweise die Namen der 193 Museen, die 2012 ihre Besuchszahlen verdoppeln konnten und jene 254 Museen, die nur noch halb so viele Besuche bekamen.
VWL-Statistiken für BWLer
Es sind nicht einfach nur spannende Abschlussarbeiten von Kulturmanagement-Studenten, die durch diese Einschränkungen nie geschrieben werden, sondern auch Erkenntnisse, die den Museen bei ihrer Weiterentwicklung fehlen und Fortschritt verhindern. Es ist ja schön, wenn in der Museumsstatistik die Eröffnung einer großen Sonderausstellung, die Erweiterung der Öffentlichkeitsarbeit und Museumspädagogik sowie die Eröffnung neuer Räume als die drei Hauptgründe für den Anstieg von Besuchszahlen ausgemacht werden, doch was heißt das konkret? Im Einzelfall? Was wurde gemacht? Welche Maßnahmen sind auf andere Museen übertragbar? Und was hat man sich unter „Erweiterung der Öffentlichkeitsarbeit“ überhaupt vorzustellen? Für Kulturmanagement-Studenten ist es fast unmöglich solchen Fragen nachzugehen, da allein die Recherche nach auf- und abstrebenden Museen und vergleichbaren Daten eine Masterarbeit für sich ist. Eine Schande ist das vor allem deshalb, weil die Daten ja bereits vorhanden sind, nur eben nicht herausgegeben werden. Dem sonst nicht gerade als Innovationsmotor bekannten Deutschen Bühnenverein gelingt die Veröffentlichung einer detaillierten Theaterstatistik übrigens, q.e.d. (ein Lob gibt es allerdings erst, wenn diese irgendwann mal zeitnah und vor allem digital erscheint; so in geschätzten 20 Jahren dann…).
Creative Commons!
Auch für die Entwicklung neuer Fernsehformate wie „Kopp, der Kulturtester“ wären Daten zu einzelnen Museen hilfreich. Wie lustig und gewinnbringend wäre es, wenn es auf RTL arte einen Kulturmanager gäbe, der die 100 besucherärmsten deutschen Museen wieder auf Vordermann brächte?! Auch wenn der Autor dieses Format vielleicht nur erwähnt, weil er diesen Gedanken in den vergangenen drei Jahren in keinem Blogpost unterbringen konnte und er aufgrund der fehlenden Nachhaltigkeit bei seinem Vorbild Rach nur noch bedingt von der Grandiosität des Konzepts überzeugt ist, so darf das Potenzial von Daten nicht unterschätzt werden. Abseits von „Big Data“-Debatten zeigt sich das an ganz praktischen Projekten wie sie etwa beim ersten Kultur-Hackathon „Coding da Vinci” entstanden sind. Wichtig in diesem Zusammenhang: Offene Daten heißt auch, Texte und Bilder unter cc-Lizenz zu stellen. Da Museen großteils von Steuergeldern finanziert werden, ist es für mich ohnehin unverständlich, dass in den meisten Impressen Sätze wie „Alle veröffentlichten Informationen und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt“ zu lesen sind.
Nur weil etwas offen ist, geht man nicht automatisch rein.
Abseits der konkreten Forderungen nach offenen Daten und Lizenzen ist Offenheit für mich vor allem eine Haltung. Wenn in Düsseldorf der Twittwoch im NRW-Forum stattfinden und Sebastian Hartmann dort sein E-Book über Street Art vorstellen kann, dann zeigt das, dass hier nicht nur von Offenheit geredet, sondern Offenheit gelebt wird (bzw. wurde 🙁 ). Kulturmanagement ist jedoch mehr als die Kunst, Kultur zu ermöglichen. Denn ein Museum braucht nicht nur Kultur, sondern auch Besucher. Und die kommen selten von alleine! Lange Öffnungszeiten und freies Wlan gehören sicherlich zu einem guten Service, aber damit lockt man niemanden ins Museum. Offenheit darf deshalb kein Ziel, sondern muss eine Selbstverständlichkeit sein. Anstreben sollte man meines Erachtens heutzutage eher ein „Besuchermuseum“, das konsequent auf die Bedürfnisse der Besucher und auf Interaktion ausgerichtet ist. Ein Kunstmuseum, in dem nicht die Kunst im Mittelpunkt steht? Ja, weil ich denke, dass die Zeiten, in denen man ehrfürchtig in großen Hallen vor großen Gemälden steht und staunend „Aaaahhhh“ sagt, vorbei sind. Nein, weil es natürlich Ausstellungsobjekte braucht, über die man reden, über die man nachdenken und mit denen man interagieren kann. Der Begriff „Besuchermuseum“ beschreibt deshalb nur eine Denkrichtung.
5 Antworten
Welche Zahlen möchtest Du von den Museen haben? Die echten oder die, die für die übergeordneten Behörden erfunden werden? Angesichts der Spardebatten gehört es geradezu zur Pflichtaufgabe der Museumsleitung, geschönte, also falsche Zahlen weiter zu reichen, um den Fortbestand eines Hauses zu sichern. Würde man mit echten Zahlen operieren, wären manche Museen schon lange geschlossen. Auch große! Wollen wir das?
Die Forderung der offenen Statistik ist richtig. Wir fuellen dafuer ja recht detaillierte Statistiken aus und faenden hier auch den Vergleich mit anderen Museen wichtig fuer die eigene Arbeit. Grossartig frisierte Statistiken kann man den jeweiligen Museumstraegern uebrigens nicht vorlegen: Die Eintritte (und die stehen fuer die meisten Traeger an vorderster Stelle) werden ja über Kassensysteme erfasst. Es funktioniert nicht, wenn wir 200.000 Besucher angeben, aber nur Eintritte für 100.000 vorweisen können.
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Eigentlich will ich mich schon lange zum Thema Besucherzahlen äußern, nur lässt mir meine ehrenamtliche Arbeit als Museumsleiterin keine Zeit. So langsam macht das aber alles keinen richtigen Spaß mehr. Es geht immer nur um Besucherzahlen, Zuschüsse, Alleinstellungsmerkmale, Superlative, was soll das? Vergessen wir dabei nicht die Hauptaufgabe von Museen? Es geht doch darum, die Vergangenheit in irgend einer Form zu sammeln, zu pflegen und für Nachkommende zu erhalten. Aber das Thema Geld lässt uns den Sinn eines Museums vergessen. Natürlich geht es auch um die Repräsentation der gesammelten Dinge. Aber müssen wir aus allem Sensationen machen, um möglichst viele Besucher ins Museum zu locken? Aber hier geht es zu wie bei den Fernsehstudios, die Einschaltquote ist entscheidend, ob eine Sendung gut ist. Dabei geht die Qualität verloren.