Kultur-Sponsoring_Siemens-Festspiele

Kultur-Sponsoring: Brauchen Tech-Unternehmen Kultur?

Wer hip sein will, spricht über KI, Machine Learning und Digitalisierung – nicht über Kunst und Kultur. Trotzdem sponsert ein Technologiekonzern wie Siemens bildende Kunst, Musik und kulturelle Bildung. Warum eigentlich? Und was können Unternehmen von Künstlern und Kulturschaffenden lernen?

Die Ausgaben für Kultur-Sponsoring stagnieren in Deutschland seit Jahren – auch wenn es meines Wissens keine ganz aktuelle Statistik gibt. Zwischen 2011 und 2016 lagen sie jedenfalls immer zwischen 300 und 400 Millionen Euro pro Jahr. Anders beim Sport-Sponsoring, wo das Ausgangsniveau schon deutlich höher war. Im selben Zeitraum haben hier die Unternehmen ihre Ausgaben von 2,6 auf 3,5 Milliarden Euro erhöht (Premium-Account von Statista notwendig). Da es um Kultur – anders als beispielsweise um Umweltschutz oder Nachhaltigkeit – keinen Hype gibt und sich außerdem die Konjunktur hierzulande abkühlt, ist schwer davon auszugehen, dass die Ausgaben für Kultur-Sponsoring in absehbarer Zukunft steigen.

Was sind die Ziele von Kultur-Sponsoring?

Je nach Umfrage unterscheiden sich die Ergebnisse zwar hinsichtlich ihrer prozentualen Gewichtung, bei den Hauptgründen für Kultur-Sponsoring herrscht jedoch Einigkeit. So werden in den Studien von Repucom und Nielsen (Premium-Account von Statista notwendig) Image-Ziele und gesellschaftliche Verantwortung als wichtigste Gründe genannt. Dahinter rangieren B2B-Kontaktpflege, Bekanntheitsziele, B2C-Kundenbindung sowie Kontaktpflege bei Medienvertretern. Interessant: Erst auf dem recht unbedeutenden siebten Platz steht mit Mitarbeitermotivation ein personalpolitischer Grund. Was darunter genau zu verstehen ist, bleibt unklar, doch dürfte das in den meisten Fällen schlichtweg Freikarten für Angestellte bedeuten.

Kultur-Sponsoring als Argument, um Mitarbeiter auf neue Ideen zu bringen und so die Innovationskultur zu fördern, wird nicht genannt (bzw. erst gar nicht abgefragt). Dabei ist es gerade dieses Denken „outside the box“, das Kunst und Kultur so stark macht – und das insbesondere in großen Konzernen oft fehlt. Um der funktionalen Fixierung zu entfliehen, also aus bestehenden Denkmustern auszubrechen und neue Problemlösungsstrategien zu finden, braucht es Inspiration von außen. Aus der Sicht von Unternehmen erscheint es mir deshalb überaus sinnvoll, im Rahmen des Kultur-Sponsorings Künstler und Kulturschaffende für Team-Building-Maßnahmen und Mitarbeiter-Workshops ins Unternehmen zu holen.

Dirigier-Workshop für Führungskräfte

Siemens setzt mit  „SCENE – Siemens Cultural Empowerment for New Executives“ an diesem Punkt an und initiiert für (angehende) Führungskräfte „Trainings mit renommierten Akteuren des aktuellen Kunst- und Kulturgeschehens, z. B. Kuratoren, Bildenden Künstlern und Musikern“. Im Rahmen einer Blogger-Reise durfte ich an einem Modul aus diesem Weiterbildungsprogramm teilhaben. Primäres Ziel des Dirigier-Workshops war es nicht, die Kreativität zu fördern und erst recht nicht, innerhalb weniger Stunden Germany’s Next Karajan zu werden, sondern mehr über die eigene Arbeits- und Verhaltensweisen zu lernen. Denn so wie es unter Dirigenten verschiedene Führungsstile gibt (autoritär, kooperativ, laissez-faire …), gibt es auch in einem Unternehmen unterschiedliche Typen und Umgangsformen. Indem man in die Rolle des Dirigenten eines kleinen Ensembles schlüpft und das eigene Auftreten anschließend in der Gruppe diskutiert, treten fast schon zwangsläufig Fragen auf, die auch im Arbeitsalltag relevant sind: Bin ich mir meines eigenen Auftretens bewusst? Wie wirke ich dabei auf andere? Ist es das Bild, das ich ausstrahlen will? Und so ein Rollenspiel lässt sich freilich noch erweitern: Was macht man mit Musikern, die sich den Vorgaben des Dirigenten widersetzen? Was mit jenen, die vielleicht sogar gegen ihn aufbegehren?

Was nützt die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur?

Klar sollte sein, dass es einen optimalen Dirigiertypus so wenig gibt wie einen perfekten Führungsstil. So ist Daniel Barenboim zweifelsohne höchst erfolgreich, als Führungspersönlichkeit ist „der Poltergeist“ jedoch höchst umstritten. Auch mit dem von der Öffentlichkeit sehr geschätzten Simon Rattle taten sich zumindest Teile der Berliner Symphoniker sehr schwer. Dirigenten haben also auf höchst unterschiedliche Weise Erfolg. Daraus als Fazit des Dirigier-Workshops den Schluss zu ziehen, dass es egal ist, wie man auftritt und sein Orchester bzw. seine Mitarbeiter führt, wäre jedoch falsch. Vielmehr geht es darum, sich selbst kritisch zu reflektieren und andere Führungsformen kennenzulernen, um dann, in einem zweiten Schritt, eine etwaige Verhaltensänderung herbeizuführen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Dirigent und Unternehmensberater Itay Talgam in seinem kurzweiligen und sehenswerten TED-Talk:


Fazit: Mehr Kultur-Sponsoring für die Mitarbeiter!

Obwohl laut einer Studie von 2010 Kultur-Sponsoring sympathisch macht, gehe ich davon aus, dass der derzeit wichtigste Grund für Kultur-Sponsoring, der Image-Transfer, peu à peu unwichtiger wird. Zwar sind Kunst und Kultur noch immer positiv besetzt, doch innerhalb der Gesellschaft schwindet deren Bedeutung. Momentan profitieren viele Einrichtungen noch von der demografischen Entwicklung, so dass die Besucherzahlen im Museum und Theater weitgehend stabil sind, das wird sich in einigen Jahren aber aller Voraussicht ändern.

Beim aktuell zweitwichtigsten Grund für Kultur-Sponsoring, der gesellschaftlichen Verantwortung, sehe ich wiederum ökologische und soziale Projekte im Vorteil. Kultur-Sponsoring zu betreiben, um die Kreativität oder – wie in Siemens‘ Dirigier-Workshop – die Selbstreflexion zu fördern, halte ich jedoch für unterschätzt. Meiner Meinung nach täten Unternehmen gut daran, mehr Kunst- und Kulturschaffende in ihre Häuser zu holen beziehungsweise ihre Mitarbeiter zu kreativen Workshops zu schicken.

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