Donald Trump: ein guter Content Manager

Was guter Content mit Donald Trump zu tun hat

Seine politischen Handlungen sind fragwürdig, seine Äußerungen oft beleidigend, rassistisch, sexistisch und sachlich falsch. Trotzdem steht rund die Hälfte der US-Amerikaner hinter Donald Trump. Als Content- und Social-Media-Manager kann man leider viel von ihm lernen. Was macht er richtig?

2014 hat Mark Schaefer den Content Shock beschrieben – also das Überangebot an Informationen im Netz durch immer mehr Absender – und damit in der Marketing-Szene große Diskussionen ausgelöst. Dabei war das Phänomen schon damals nicht neu: Die drohende Informationsflut („Information Overload“) wurde bereits 1970 vorhergesagt, der „Kampf um Aufmerksamkeit“ 2005 von Kristina Nolte beschrieben. Das Level, auf dem dieser Kampf ausgetragen wird, hat sich durch Social Media aber tatschlich erhöht. Dadurch ist es noch schwieriger geworden, gehört und gelesen zu werden. Trump weiß, wie das geht.

Trumps hat eine klare Positionierung

Beginnen wir bei Trumps inhaltlichem Fokus: Er äußert sich fast ausschließlich zu politischen Themen. Seine wenigen Tweets zum American Football sind ebenfalls politisch geprägt, zumal sie stark ideologisch aufgeladen sind. Politikfernen „Cat Content“ gibt es bei ihm nicht. Wer glaubt, das sei das Normalste der Welt, sollte sich einmal den Instagram-Account von Markus Söder anschauen, der gerne mal sein Essen abfotografiert (siehe hier, hier oder hier). Auch Unternehmen neigen mitunter dazu, Inhalte zu posten, die nur wenig mit ihren Produkten oder Dienstleistungen zu tun haben. Trump hingegen bleibt seinem Metier weitgehend treu.

Dabei versucht er nicht, das Volk zu einen oder alle mitzunehmen, ganz im Gegenteil: Er hat die Kunst der Spaltung perfektioniert. Dazu gehört auch sein Negative Campaigning, also die Diffamierung von politischen Gegnern wie „Crooked Hillary” (Clinton) oder „Lyin Ted” (Cruz). Im Marketing-Jargon könnte man diese Form der Abgrenzung deutlich positiver als „klare Positionierung” bezeichnen. Grautöne gibt es bei Trump nicht, nur schwarz oder weiß, gut oder böse, Fox News oder Fake News, Freund oder Feind.

Trump spricht die Sprache seiner Anhänger

Gerhard Schröder soll einmal gesagt haben, dass er zum Regieren „Bild, BamS und Glotze“ brauche. Auch Trump weiß, über welchen Kanal er seine Zielgruppe am besten erreicht: Twitter. Zwar ist er auch auf Facebook und Instagram, doch der Kurznachrichtendienst ist sein Hauptkanal. Da der Großteil seiner Anhänger sich ohnehin nicht für einen langen, differenzierten Gastbeitrag in einer Zeitung interessieren würde, haut Trump lieber kurze Sätze und markige Sprüche via Twitter raus. Damit trifft er nicht nur den Geschmack seiner Anhänger, sondern auch den Nerv der Zeit. So attestiert Linguistin Elisabeth Wehling: „Trump spricht auf dem Niveau eines Viertklässlers, und das ist erst mal gar nicht falsch.“ Zumal er auch eine metaphernreiche Sprache verwendet, die emotionale Bilder im Kopf auslösen (wie Wehling am Beispiel des Begriffs „Invasion” erklärt).

Trump verteilt „snackable Content” – und zwar viel

Als Fast-Food-Fan wundert es nicht, dass Trump nur „snackable Content” ins Netz stellt, also Inhalte, die nebenbei konsumiert werden können. Fairerweise muss man sagen, dass auf Twitter auch gar nichts anderes möglich ist: Die maximale Länge eines Tweets liegt bei 280 Zeichen, die eines Videos bei 2:20 Minuten. Trumps Frequenz ist jedoch erstaunlich: Seit dem Beginn des Impeachment-Verfahrens setzt er durchschnittlich 36 Tweets pro Tag ab. Er ist quasi „always on“ und aktiver als so mancher hauptberufliche Influencer.

Viele der Inhalte sind Retweets, also geteilte Inhalte von anderen Nutzern – insbesondere von anderen Republikanern und von seinen favorisierten Nachrichtenmedien wie der TV-Show „Fox & Friends“. Damit befolgt er eine weitere wichtige Social-Media-Regel: Sharing is caring. Er interagiert mit einem (kleinen, aber wichtigen) Teil seiner Community, teilt Inhalte von ihnen und bindet sie so noch stärker an sich.

Trump steht voll hinter sich

Er selbst schreibt sich eine „große und unübertroffene Weisheit“ zu und lobt sich in höchsten Tönen (Beispiel). Wer macht „America great again“? Klar, er. Ob es sich dabei um Selbstliebe, Selbstverliebtheit oder Narzissmus handelt, mag jeder selbst beurteilen, aber Fakt ist, dass er sich so oft „great” nennt, dass viele seiner Anhänger seine Behauptungen  als wahr erachten und ihn regelrecht für einen Heilsbringer halten.

Wie im Marketing üblich, postet Trump keine voll umfänglichen Informationen, sondern nur kleine Ausschnitte der Wirklichkeit. So hat er beispielsweise Auszüge der Anhörung von Gordon Sondland retweetet (Beispiel). Insgesamt belasten Trump dessen Aussagen zwar schwer, doch es gibt eben auch Teile, die ihn entlasten – und diese nutzt er für sich. Solche Halbwahrheiten mögen moralisch bedenklich sein, die Hervorhebung von „Themen oder Eigenschaften, die mit der vorrangigen Qualität oder Funktion eines Produktes oder dem Status quo kaum etwas zu tun haben“, so Werbestratege Michael Häußler, gilt hingegen als erfolgreicher Kniff und ist im Marketing völlig normal. So wirbt Nutella mit Haselnüssen, Kinderschokolade mit Milch, Actimel mit gesundheitsfördernden Bakterienkulturen und Donald Trump eben mit jenen Zitaten, die seine vermeintliche Unschuld untermauern (wobei er sich auch für Verschwörungstheorien nicht zu schade ist).

Trump ist authentisch

Rund 200 Rechtschreibfehler hat Trump seit seiner Amtszeit in seinen Tweets gemacht, der bekannteste davon ist „covfefe“ (statt „coverage“). Gegner und Comedians machen sich darüber lustig, doch auch das schadet ihm nicht. Vielmehr unterstreicht es seine Authentizität und gibt speziell dem „kleinen Mann“ das Gefühl, dass Trump einer von ihnen ist. Einer, der eben genauso Fehler macht wie jeder andere. Auch auf Floskeln, eine hierzulande fast omnipräsente Politiker-Krankheit, verzichtet Trump, wie nicht nur seine Tweets beweisen, sondern auch sein Brief an Erdogan. „Don’t be a fool!“, rät Trump ihm darin. Während Diplomaten sich dabei die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, feiern ihn seine Anhänger dafür – endlich mal einer, der nicht so redet wie das Washingtoner Establishment. Trump wägt nicht ab, er feuert ab: bumm, bumm, bumm.

Zusammenfassend hier eine Liste, was Trump im Hinblick auf das Content- und Social-Media-Management richtig macht:

  • Wahl des richtigen Kommunikationskanals
  • klare Positionierung und thematische Begrenzung
  • zielgruppengerechte Sprache (einfach, verständlich, bildlich)
  • Interaktion mit der Community
  • hohe Aktualität
  • hohe Emotionalität
  • hohe Authentizität

Fazit: Guter Content hängt von den Zielen und der Zielgruppe ab.

Trumps Content muss man nicht gut finden. Ich persönlich finde ihn sogar schrecklich, aber – und das ist wichtig – ich gehöre auch nicht zur Zielgruppe. Unter Marketing-Aspekten macht Trump leider viel richtig. Er produziert Beiträge, die seinen Anhängern einen informativen oder emotionalen Mehrwert bieten und zielgruppengerecht aufbereitet sind. Lediglich die „Neukundengewinnung“ beziehungsweise die Wechselwähler vernachlässigt er. Davon abgesehen, dass ein Staatsoberhaupt in erster Linie Politik machen sollte (und nicht Selbstmarketing), könnte Trump auch daran scheitern.

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