Gerade erst habe ich einen Instagram-Leitfaden für kleine Kultureinrichtungen veröffentlicht. Braucht jetzt also alles und jeder einen eigenen Instagram-Account? Nein! Es gibt durchaus Gründe, die Finger davon zu lassen.
Instagram hat über eine Milliarde Nutzer, die jeden Tag über 100 Millionen Fotos und Videos hochladen. Allein zum beliebtesten Hashtag #love existieren 1,8 Milliarden Bilder. So groß also das Potenzial ist, so gigantisch ist die Konkurrenz. Selbstverständlich gibt es Posts, die so außergewöhnlich, witzig oder kreativ sind, dass sie viral gehen – doch das sind die allerwenigsten. Die Chance, dass sich kaum jemand für die eigenen Inhalte interessiert, ist wesentlich höher. Da nützen gute Hashtags genauso wenig wie die Optimierung der Bildunterschrift oder eine Analyse der Veröffentlichungszeiten. Gerade für Unternehmen, die keine Love Brand sind und den frühen Einstieg bereits verpasst haben, ist der Follower-Aufbau enorm schwer. Mit Werbung, Gewinnspielen, Giveaways, Insta-Takeovers, Shoutouts, Influencer-Kampagnen, Interaktionen mit anderen Instagrammern und natürlich gutem Content kann man zwar Abonnenten gewinnen, doch ist der Weg oft lang und beschwerlich. Und wozu eigentlich der ganze Aufwand?
Was bringt Instagram Unternehmen?
Auf Google findet man im Handumdrehen 6, 10 oder auch 23 Gründe, warum Unternehmen Social Media nutzen sollten. Doch obwohl Statistiken noch und nöcher zur Verfügung stehen, lässt sich nur schwer sagen, ob sich organische, also redaktionell gepflegte, Social-Media-Aktivitäten überhaupt rentieren. Folglich wird über den „Return on Investment“(ROI) von Social Media schon seit Jahren gestritten. Das ist bei Instagram nicht anders als auf Facebook. Meiner Erfahrung nach taugt organisches Social Media – abhängig von der strategischen Ausrichtung –vornehmlich zur
- Imageverbesserung,
- Aufmerksamkeits- und Reichweitensteigerung,
- Service-Optimierung und
- Mitarbeiterbindung.
Social Media zwischen Portokasse und Kraftakt
Aldi Nord betreibt bis heute keine Facebook-Seite – und kaum jemanden stört es. Instagram hingegen wollte das Unternehmen nicht verpassen und hat deshalb 2018 einen Account erstellt. Man möchte in Dialog mit den Kunden treten und „dort sein, wo die junge Zielgruppe unterwegs ist“, heißt es in der Pressemitteilung. Ob die Gründe überzeugend sind, sei mal dahingestellt. Für ein so großes Unternehmen spielt das aber auch keine Rolle. Da ist im Zweifel die Gefahr, dass man durch eine Social-Media-Abstinenz den Anschluss an die Konkurrenz verpasst in Relation zu den Kosten, die Social Media verursacht, letztlich viel zu groß. Also macht man es halt.
Für kleine Unternehmen mit deutlich weniger personellen und finanziellen Ressourcen kann die Pflege eines Instagram-Accounts hingegen schnell zu einem Kraftakt werden – zumindest wenn man es „richtig“ macht. Also nicht nur pflichtschuldig ein, zwei Beiträge pro Woche postet, sondern auch Stories erstellt, Anfragen beantwortet und in Interaktion mit anderen Instagrammern tritt. Und da stellt sich schon die Frage, ob sich dieser Aufwand beispielsweise für einen Bäcker, eine Buchhandlung oder ein kleines Museum lohnt. In vielen Fällen würde ich sagen: Nein.
Wann auch kleine Unternehmen Instagram nutzen sollten
Wenn die Mitarbeiter oder die Chefs selbst Instagram (privat) nutzen und Spaß daran haben, sie also die Pflege des Accounts nicht als zusätzliche Belastung empfinden, sondern es gern machen, klar, dann sollte das Unternehmen auch einen Instagram-Kanal betreiben. Denn was gibt es Besseres als einen Bäcker der gern seine Backwaren fotografiert, einen Buchhändler, der gern Romane vorstellt und einen Kurator, der es liebt vor der Kamera über seine Exponate zu reden?! Manchmal kann „der Hunger auch mit dem Essen kommen“, wie es so schön heißt, die Leidenschaft zu Instagram also während des Testens entdeckt werden. Deshalb würde ich jedem raten, es einmal selbst auszuprobieren. Eine rein unternehmerische Entscheidung ist die Pflege des Instagram-Kanals in diesem Fall dann allerdings nicht mehr, sondern eher eine Art Hobby, das sich auch positiv auf das Geschäft auswirken kann.
Werbung auf Instagram ist häufig die bessere Wahl
Um gezielt Produkte oder Dienstleistungen bekanntzumachen und zu verkaufen, neue Kunden zu gewinnen und potenzielle Mitarbeiter auf sich aufmerksam zu machen, ist Werbung geeigneter. Denn Social Ads kann man deutlich zielgerichteter und unabhängig vom Instagram-Algorithmus ausspielen. So funktioniert das Targeting im Werbeanzeigemanager sehr gut. Man kann die Zielgruppe nach Standort, Alter, Geschlecht, Sprache, demografischen Daten, Interessen und Verhaltensweisen auswählen und hat folglich nur geringe Streuverluste. Und vor allem erreicht man so auch Personen, die noch nicht in Berührung mit dem eigenen Unternehmen gekommen sind.
Fazit: Organic + Paid = Liebe
Ideal ist es natürlich, wenn man organisches und bezahltes Social Media kombiniert. Denn eine Person, die einem Unternehmen auf Instagram folgt, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit auch dessen Produkte kaufen oder Dienstleistungen nutzen. Und da man Werbung auch ausschließlich an die eigenen Follower ausspielen kann, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Zielgruppe den Sales Funnel komplett durchläuft, um ein Vielfaches höher.
Gleichwohl kennt es vermutlich jeder aus eigener Erfahrung, dass Werbung zwar nützlich sein kann, um beispielsweise auf eine neue Modemarke, Spirituose oder Ausstellung hingewiesen zu werden, man aber deshalb noch lange keine Lust hat, dem Unternehmen auf Instagram zu folgen. Und eben weil das so ist und weil organisches Social Media gleichzeitig viel Arbeit macht, ist Paid im Vergleich zu Organic oft die bessere Wahl.
8 Antworten
Hi und Danke für diesen ausführlichen Artikel!
Als Mitarbeiter an einer öffentlich getragenen Institution, einem Museum, mache ich mir oft Gedanken darum, inwieweit wir kommerzielle Social-Media-Kanäle wie Instagram überhaupt nutzen sollten.
Ich bin mir unsicher, ob’s hier die richtige Stelle ist, um noch mal einige fast schon verniedlichend als „Skandale“ betitelten Praktiken des Mutterkonzerns Facebook aufzuzählen. Eigentlich sollten wir über die Jahre und die unendlich vielen Berichterstattungen, Gerichtsprozesse und journalistischen wie wissenschaftlichen Studien hinweg gut einschätzen können, welche Bedeutung Daten für Konzerne wie Facebook haben und wie tiefgehend und weitreichend deren Sammlung, Analyse, Prozessierung und auch die gezielte Beeinflussung von Individuen nicht nur in werblicher sondern auch in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht sind.
„Individuen“. Das hört sich ganz schön weit weg an. Sagen wir lieber: die Besucher*innen meines, unseres Museums. Verstehe mich nicht falsch! Es sei jedem und jeder unbenommen, solche kommerziellen Social-Media-Dienste in Anspruch zu nehmen. Aus der Sicht einer öffentlich-gemeinschaftlichen Institution, die ihre Kommunikation und Angebote über solche Kanäle betreibt, ändert sich das Bild allerdings.
Ich denke, für sie ist es aus Gründen der Verantwortlichkeit gegenüber ihren Besucher*innen geboten, zumindest eine gewisse Ausgewogenheit an unterschiedlichen Kanälen zu leisten. Und damit meine ich nicht instagram hier und TikTok dort. Sondern kommerzieller Kanal hier, eigener, unüberwachter Kanal dort. Zumindest so. Dass eine Wahl gegeben ist.
Ich weiss, ich weiss: Reichweite der kommerziellen Dienste ist super, kleine Institutionen haben kein Geld/ keine Arbeitskraft, kein Know-How usw. usw. Aber ist das wirklich so? Was meinst du?
Ich finde, der Hinweis, dass Instagram bzw. generell Social Media ohne Werbebudget kaum noch funktioniert, ist wichtig, Axel. Klar ist, dass Instagram so wie alle anderen Kanäle sich immer mehr in Richtung Werbekanal entwickelt. Oder vielleicht sollten wir sagen: Werbekanal mit Rückkanal. Mit Instagram Shopping entwickelt sich Instagram immer mehr in diese Richtung.
@Jörg: Ja klar, das muss jede Kultureinrichtung für sich entscheiden, ob der jeweilige Kanal ihren Werten und Vorstellungen entspricht. Aber ich finde auch, dass Instagram einem tolle Möglichkeiten bietet, Geschichten zu erzählen, ohne sofort an Werbung zu denken. Mir fällt dazu dieses Projekt ein: https://www.instagram.com/eva.stories/
@ Christian Ich denke, die Erwartungen an Social Media sind und waren auch einfach viel zu hoch. Da ist die Marketing-Beraterszene auch nicht ganz unschuldig dran… Noch immer herrscht ja bei vielen der Irrglaube, man müsse nur eine Facebook-Seite oder einen Instagram-Account eröffnen und *zack* schon erreicht man die jungen Leute. Ganz von alleine. So einfach war es nie. Durch die steigende Konkurrenz und die „Optimierung” des Algorithmus wird es für Unternehmen und Organisationen auch zunehmend schwerer (auch wenn auf Instagram derzeit kein Unterschied zwischen privaten und Unternehmensprofilen gemacht wird).
@Jörg Amnesty hat in einem Blogpost das Dilemma mit Facebook und Google mal ganz gut beschrieben. Sinngemäß steht darin: Wir finden die Unternehmen scheiße, können aber auf ihre Dienste nicht verzichten.
@Christian: Ne, keene Ahnung, ob das jede Institution für sich entscheiden sollte, vor allen Dingen, wenn sie öffentlich ist. Da sollte es schon etwas mehr Druck geben. … Und klar, „Geschichten erzählen, ohne an Werbung zu denken“: Es geht da ja gar nicht mehr um Werbung!
@Axel: Ja, aber is halt quatsch, oder? So aus Museumssicht.
@Jörg: Wenn Ihr keine privaten social networks verwendet, wie erreicht Ihr denn dann die Öffentlichkeit? Welche nichtkommerziellen Kanäle nutzt Ihr? Diaspora war ja nur sehr kurz ein Thema und WT Social ist ja anscheinend auch nicht der Knaller.
@Christian Wie gesagt, in meiner Frage ging’s nicht um „ganz oder gar nicht“. Sondern um die Frage, in welchem Verhältnis kommerzielle und nichtkommerzielle Kanäle stehen sollten.