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YouTube-Formate für Kultureinrichtungen

Als Social-Media-Kanal wird YouTube gerne übersehen. Dabei hat der Kanal gegenüber TikTok, Insta und Facebook einen großen Vorteil: Die Halbwertszeit der Inhalte ist deutlich länger. Hier einige Format-Vorschläge für Museen, Theater und Orchester.

Richtige YouTube-Stars gibt es unter deutschen Kultureinrichtungen nicht. Die Berliner Philharmoniker haben zwar über 350.000, das Miniaturwunderland in Hamburg über 250.000 und das Panzermuseum über 50.000 Abonnenten, aber danach wird es schnell dünn. Das ist wenig verwunderlich, schließlich wird YouTube meist als Repositorium für Videos genutzt. Mit dieser „Strategie“ geht einher, dass gar nicht ernsthaft versucht wird, Abonnenten für den eigenen Kanal zu gewinnen. Da YouTube auch als Suchmaschine fungiert, können einzelne Videos natürlich trotzdem sehr erfolgreich sein. Nur als Beispiel: Die Deutsche Oper am Rhein hat weniger als 3.000 Abonnenten, das meistgeklickte Video, der Trailer zu La Bohème, jedoch rund 300.000 Aufrufe. Merke: Ein prinzipielles Interesse an Hochkultur gibt es auf YouTube durchaus!

Warum betreiben Kultureinrichtungen keinen „richtigen“ YouTube-Kanal?

Erfolg auf YouTube würde einer Kultureinrichtung mehr Strahlkraft, mehr Besucher und eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz (und somit Schutz vor Subventionskürzungen) verschaffen. Um noch mehr Kultureinrichtungen an diesen Kanal heranzuführen, habe ich daher in Kooperation mit kulturmanagement.net im September den Leitfaden „YouTube für Einsteiger“ herausgegeben. Fairerweise muss man sagen, dass es auch Gründe gegen einen regelmäßig bespielten YouTube-Kanal gibt. Durch den hohen Zeitaufwand rechnet sich ein YouTube-Kanal finanziell nur in den allerwenigsten Fällen, erfolgreiche YouTube-Kanäle sind meist personengebunden und man benötigt eine Lockerheit, die Kultureinrichtungen oft abgeht.

YouTube-Formate für Kultureinrichtungen

Video-Formate gibt es mehr als genug. Jedoch eignen sich nicht alle für einen YouTube-Kanal – beispielsweise die in der Unternehmenswelt beliebten Image-Videos. Wobei… jede Woche ein neues Image-Video wäre so grotesk, dass es schon wieder cool wäre. 😉 Die meisten Formate schließen sich strategisch nicht aus, ganz im Gegenteil. Es gibt viele YouTuber die beispielsweise Rants, Challenges und Pranks machen. Hier einige Formate, die sich auch für Kultureinrichtungen eignen:

Erklärvideos

Während Tutorials oft einer Schritt-für-Schritt-Anleitung ähneln, liegt bei Erklärvideos der Fokus auf der Wissensvermittlung. So wäre beispielsweise ein Video, das zeigt, wie man die Mondscheinsonate auf dem Klavier spielt, ein Tutorial. Ein Video, in dem erläutert wird, wie ein Klavier funktioniert, hingegen ein Erklärvideo. Erklärvideos eignen sich hervorragend für die Kulturvermittlung und werden von Kultureinrichtungen auch gerne eingesetzt. Auch der „Blick hinter die Kulissen“ lässt sich dazu zählen. Exzellente Beispiele wie man Erklärvideos interessant gestaltet, liefert der mittlerweile leider eingestellte Kanal „The Art Assignment“.


Tutorials

In Tutorials (dt. „Anleitungen“) erfahren Zuschauer, wie sie bestimmte Aufgabe erledigen können. Wie Erklärvideos haben auch sie eine lange Halbwertszeit, veralten also nur langsam. Tutorials gibt es zu nahezu jedem Thema: Wie mache ich einen Dutt? Wie bereitet man Spargel zu? Wie spielt man Reggae auf der Gitarre? etc. pp. Es gibt kein Alltagsproblem, für das es auf YouTube nicht die passende Anleitung gibt. Die Master Class der Berliner Philharmoniker ist zwar nicht wie ein Kochrezept aufgebaut, man könnte sie aber trotzdem als Tutorial bezeichnen.


Vlogs

Vlogs sind in ihrer ursprünglichen Form Online-Video-Tagebücher. Hier steht eindeutig die Person im Vordergrund, die meist frontal in die Kamera schauend, als „Talking Head“, aus ihrem Leben erzählt. Ein klassisches Beispiel hierfür wäre Bibis Video „Erster großer Urlaub mit Emmi und Lio“. Für Kulturinstitutionen bieten sich solche Vlogs nicht an. Gleichwohl können sie Künstler begleiten und Einblicke in deren Alltag gewähren (siehe unten). Ob es sich dann noch um einen Vlog oder schon um ein Portrait handelt, darüber kann freilich gestritten werden. Ohnehin ist der Begriff schwierig, da „YouTuber“ und „Vlogger“ mitunter synonym verwendet werden. Ein Vlog kann demnach auch einfach ein regelmäßig betriebener YouTube-Kanal sein.


Q&A-Videos

Q&As („Questions and Answers“) dienen in erster Linie dem Austausch mit den eigenen Abonnenten, um eine persönliche Nähe aufzubauen. Die YouTuber beantworten dabei Fragen, die ihnen in der Kommentarspalte vorheriger Videos, in Nachrichten oder – bei Live-Videos – im Chat gestellt wurden. Thematisch werden diese mitunter eingeschränkt. Sind sie das nicht, spricht man auch von AMAs („Ask me anythings“) – wobei die Fragen genau wie bei Q&As vorher ausgewählt werden. So darf man zwar alles fragen, bekommt aber nicht auf alles eine Antwort. 🙂


Listen-Videos

Listen funktionieren im Internet als Artikel („Listicle“) genauso gut wie als Video. Oft sind es Bestenlisten wie bei den „Top 5 Museums in Berlin“. Doch muss es nicht immer eine Rangliste sein und auch die Anzahl ist weitgehend unbedeutend. Ob man in einem Video beispielsweise die fünf oder die 14 beeindruckendsten Expressionismus-Werke im Museum Ludwig vorstellt, juckt kaum jemanden – so lange das Video nicht zäh wird. Listen-Videos bieten auch Raum für Humor, wie „Kesslers Knigge“ im folgenden Video zeigt:


Interviews und Diskussionen

So prominent wie Talk Shows im Fernsehen sind Interview-Formate auf YouTube zwar nicht, es gibt dennoch einige Kanäle, die damit operieren. Hiphop.de beispielsweise veröffentlicht fast ausschließlich Interviews mit Rapper, auf Kino Plus werden Filme und Serien analysiert und auf Rocket Beans TV wird in der Reihe „Almost Daily“ über so ziemlich alles geredet. Dass sich Interviews für Kultureinrichtungen anbieten, liegt auf der Hand. Insbesondere Theater sind Menschenhäuser, in denen von den Beleuchtern über die Schauspieler bis hin zu den Verwaltungsmitarbeitern alle was zu erzählen haben. Aber auch in Museen gibt es genügend Potenzial. Hier ein schönes und gut geschnittenes Interview der Schirn Kunsthalle Frankfurt:


Unboxing, Hauls und Produkttests

In Unboxing-Videos werden Produkte ausgepackt und kurz vorgestellt. In Haul-Videos wiederum werden – meist von Frauen – kürzlich gekaufte Kosmetikartikel, Klamotten, Accessoires oder Lebensmittel präsentiert. Bei Hauls (dt. „Beute“), steht also noch mehr das Einkaufserlebnis im Vordergrund und es werden tendenziell eher kostengünstige Produkte gezeigt. Diese Formate eignen sich für Kulturinstitutionen nicht.

Produkttests grenzen sich von Unboxing- und Haul-Videos oft durch größere inhaltliche Tiefe ab. Ein Format wie die 3sat-Sendung Museums-Check könnte man mit etwas Wohlwollen auch als Produkttest auffassen. Es wäre zwar seltsam, würden Kultureinrichtungen ihre eigenen Ausstellungen „testen“, gleichwohl könnte man Exponate im Stile eines Produkttests auf unterhaltsame Weise vorstellen. Es wäre zumindest eine erfrischende Herangehensweise.


YouTube-Formate, die sich für Kultureinrichtungen nur punktuell eignen

Kulturorganisationen sollten keine Formate kategorisch ausschließen. Im Hinblick auf das Image wäre es aber sicher seltsam, wenn sich beispielsweise ein Theater auf YouTube dadurch auszeichnet, dass es ständig jemanden kritisiert („rantet“), oder ein Museum am laufenden Band die eigenen Besucher verarscht („prankt“). Anlassbezogen und punktuell kann es wiederum Sinn machen. Lediglich „Let’s Plays“ kann man für Kultureinrichtungen tatsächlich ausschließen. Hierbei werden bekannte Online-Computerspiele wie Fortnite, League of Legends oder Counter-Strike live gespielt, gestreamt und parallel dazu von den Gamern kommentiert.

Rants

Bei einem Rant (dt. „Tirade“) wird eine Person, ein Unternehmen, eine Organisation oder eine Sache auf polemische und zugleich unterhaltsame Weise kritisiert. Ein Rant, der mit über 17 Millionen Aufrufen hohe Bekanntheit erlangt hat, ist „Die Zerstörung der CDU“ von YouTuber Rezo. Kultur-Rants gibt es nur wenige, „The Problem with Museums“ richtet sich aber beispielsweise gegen den Umgang von Museen mit Raub- und Kolonialkunst.

Challenges und Battles

Challenges (dt. „Herausforderungen“) sind fester Bestandteil der Netz-und YouTube-Kultur. Ein paar wenige gehen viral, wie die „Ice Bucket Challenge“ (2014) oder die „Mannequin Challenge“ (2016). Battles (dt. „Kämpfe“) gehen in eine ähnliche Richtung wie Challenges, jedoch tritt man hier gegen eine oder mehrere Personen an. Auf YouTube werden die Begriffe allerdings häufig synonym verwandt (z.B. bei „ThoMats“). Die ein oder andere Challenge mit Kunstbezug findet man auf YouTube (z.B. „Drawing 700 Fortnite Characters in 100 Hours“), der Kuratoren-Battle lässt bislang noch auf sich warten. Ihren Ursprung haben Challenges in der Regel nicht auf YouTube, sondern auf TikTok, Instagram, Twitter oder Facebook.

Pranks

Pranks (dt. „Streiche“) sind nicht erst seit YouTube beliebt, sondern haben eine lange Tradition. „Die Lümmeln von der ersten Bank“ und „Verstehen Sie Spaß?“ lassen grüßen. Mitunter gibt es auch künstlerische Pranks. So kann die Arbeit „No Eye Contact Allowed“ von Erik Pirolt durchaus als Streich verstanden werden.

Reaction-Videos

In Reaction-Videos schauen sich YouTuber Videos aus dem Internet an und kommentieren diese. Rechtlich sind sie problematisch. Persifliert wurde das Format unter anderem von Comedian Teddy in „Percy reagiert auf Antoine Reaction zu Percy Reaction“. Die Anwendungsfälle von Reaction-Videos sind für Kulturinstitutionen begrenzt, gleichzeitig könnt es durchaus amüsant sein, wenn ein Theaterdramaturg beispielsweise auf das belanglose „Ich färbe meine Haare schwarz“-Video von Shirin David reagiert.

ASMR

Autonomous Sensory Meridian Response (ASMR; sinngemäß „unkontrollierbares, sensorisches Hochgefühl“) bezeichnet ein kribbelndes Gefühl auf der Haut, das häufig durch akustische Sinnesreize ausgelöst wird. Oft wird es durch leises Rascheln, Streicheln oder Klopfen sowie eine ruhige Stimme, die Belangloses erzählt, hergestellt. Ein paar wenige orchestrale und museale ASMR-Videos gibt es bereits.

Fazit: An Ideen mangelt es nicht

Schon vor Corona ist die Sensibilisierung für das Thema digitale Kulturvermittlung gestiegen und es wurden Töpfe mit staatlichen Projektfördermitteln geschaffen. Schlecht ist aus meiner Sicht allerdings, dass in erster Linie vermeintlich superinnovative Konzepte (Virtual und Augmented Reality, Games, Chatbots etc.) unterstützt werden. Ein YouTube-Kanal hingegen ist normalerweise nicht förderungsfähig. Dabei ließen sich darüber vermutlich deutlich mehr Personen erreichen. Sofern sich also nicht Mäzene oder Sponsoren finden, werden gute YouTube-Kanäle von Kultureinrichtungen weiterhin Mangelware bleiben.

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