Gendern-Theater-Museum-Kultur

Warum Theater und Museen nicht gendern sollten

Ist die Debatte um das Gendern nicht längst durch? Vielleicht. Schließlich gibt es mittlerweile kaum eine Kultureinrichtung, die nicht gendert. Doch eine falsche Entscheidung wird nicht dadurch besser, dass man an ihr festhält.

Beginnen wir mit einem Gedankenspiel und nehmen wir an, die AfD hätte das Gendern erfunden. Wie wären die Reaktionen darauf ausgefallen? Vermutlich so: Sämtliche Journalisten und Wissenschaftler hätten nach Argumenten gesucht, warum Gendern vollkommener Unsinn ist. Man hätte vor einer Sexualisierung der Sprache gewarnt. Erklärt, dass es rückwärtsgewandt sei, das Geschlecht kontext- und anlasslos zu erwähnen. Schließlich sei bei Begriffen wie Leser, Bürger oder Nutzer doch absolut klar, dass hier Frauen wie Männer wie Nonbinäre gleichermaßen gemeint seien. Man hätte die AfD-Genderer verlacht und gesagt, dass sie eben zu dumm seien, den Unterschied zwischen Genus und Sexus zu begreifen. Man hätte beispielhaft angeführt, dass Mädchen nicht dem dritten Geschlecht angehörten, nur weil sie ein grammatikalisches Neutrum seien. Man hätte darüber hinaus gewitzelt, dass die AfDler wohl auch glaubten, dass alle Flamingos männlich und alle Giraffen weiblich seien. Man hätte gemahnt, dass solche sprachlichen Eingriffe Top-down gefährlich seien und die rhetorische Frage gestellt, wer zuletzt bewusst versucht habe, die Sprache gezielt zu lenken. Und dann erklärt, dass das die Nazis gewesen seien. Vermutlich hätte man polemisch verlautet, dass das immerhin zum Gedankengut der AfD passe. Man hätte geraten, sich vor so einer „AfD-Sprache” bewusst abzugrenzen und zukünftig auch „Ärztinnen” als „Ärzte” zu bezeichnen. Und in Fällen, in denen das Geschlecht ausnahmsweise eine Rolle spiele, von „weiblichen Ärzten” zu sprechen – ganz wie im Englischen. Man hätte argumentiert, dass so eine Sprachvereinfachung auch all jenen Menschen zugute käme, die Deutsch als Zweitsprache lernten. Und Fakten angeführt wie jene, dass hierzulande mehr als ein Viertel der Menschen einen Migrationshintergrund hätten und rund 20 Prozent der Kinder in Familien aufwüchsen, in denen Deutsch im Alltag nicht die Hauptsprache sei. Und weil es diese mit den zig grammatikalischen Besonderheiten der deutschen Sprache ohnehin schon schwer genug hätten, sei es geradezu unsere Pflicht, die Sprache zu vereinfachen. Deutschland sei schließlich ein Einwanderungsland. Man hätte sich empört gefragt, wie länge das denn noch dauern würde, bis der letzte Ich-bin-ja-kein-Nazi-aber-Nazi das kapiert hätte. Und hätte dargelegt, dass eine einfache Sprache uns allen zugutekäme. Denn ein Brief vom Amt solle schließlich keine wissenschaftliche Facharbeit, sondern so einfach wie möglich sein. Wer Freude an Komplexität hätte, könne ja in seiner Freizeit Kant und Wittgenstein lesen, hätte man gesagt. Und um ein Zeichen zu setzen, dass man Geschlechtergrenzen hierzulande endgültig überwunden habe, hätte man eine Petition für mehr Unisex-Toiletten aufgesetzt. Denn das Geschlecht sei schließlich egal und aus diesem Grund sei nicht nur ein „Entgendern” der Sprache, sondern der Gesellschaft nötiger denn je.

Warum gendern Theater und Museen überhaupt?

Das obige Gedankenspiel zeigt, dass es immens wichtig ist, sich immer klarzumachen, woher Trends kommen und wer versucht, sie zu etablieren. Wäre das Gendern von der AfD vorgeschlagen worden, wäre es vollkommen undenkbar gewesen, dass es sich derart schnell ausbreitet. Denn es gibt recht offensichtliche Gründe dagegen. Dass jetzt von Kultureinrichtungen, Organisationen, Behörden und Unternehmen gleichermaßen vorgetragene Argument, dass man sich für Gleichstellung einsetze und in der Folge eine „geschlechtergerechte” Sprache verwende, erscheint äußerst fragwürdig. Denn Gendern hat mit einer geschlechtergerechten Sprache schlichtweg nichts zu tun. Und sie ist das Gegenteil von geschlechtsneutral. Trotzdem hat sich die Erzählung von der Geschlechtergerechtigkeit wie ein Lauffeuer verbreitet und wird meist blind übernommen. Wenn alle etwas gut finden, muss es ja gut sein – speziell, wenn die Idee von der Bildungselite stammt („Die werden sich da schon was bei gedacht haben”). 

Dass Gendern genau das fördert, was es gerade nicht will, nämlich gesellschaftlich zu spalten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Die Fronten beim Gendern verlaufen nicht, wie man annehmen könnte, zwischen Mann und Frau, sondern auf politischer Ebene zwischen Links-Grünen und Konservativ-Rechten, auf sozialer Ebene zwischen Bildungs- und Arbeitermilieu, geografisch zwischen Großstadt und Land sowie beim Alter zwischen Jung und Alt. Oder knackiger formuliert: Wer die Grünen wählt, einen Hochschulabschluss hat, in einer Großstadt wohnt und unter 30 ist, findet Gendern mit hoher Wahrscheinlichkeit gut.

Gendern: Marketing vs. gesellschaftliche Akzeptanz

Fragt man sich, welche Bevölkerungsschicht eine besondere Affinität zu Theater und Museum hat, wird man schnell auf das politisch Mitte-links zu verortende, großstädtische Bildungsbürgertum stoßen. Also genau jenes Klientel, das Gendern gut findet. It’s a match! Dass besonders junge Menschen dem Gendern zugeneigt sind, kann dabei aus Sicht der Gender-Befürworter als Sahnehäubchen betrachtet werden. Denn genau dieses Publikum wollen Kultureinrichtungen haben. Aus Marketing-Sicht ist Gendern für Theater und Museen daher eine klare Sache: Machen! Zumal Kulturschaffende auch selbst gern dieser Bubble angehören. Und da sich das (groteske) Narrativ von der „geschlechtergerechten Sprache” mittlerweile ebenfalls durchgesetzt hat, kann man Gendern sogar als Beitrag zu einer besseren Welt verkaufen. 

Betrachtet man das Gendern aus einer politischen und gesellschaftlichen Perspektive – und diese ist für Kultureinrichtungen relevant, da sie sich größtenteils über öffentliche Gelder finanzieren – sieht die Sache anders aus. Da rund zwei Drittel der Bevölkerung das Gendern ablehnen, müsste der Schluss lauten, es sein zu lassen. Hinzu kommt die mit dem Gendern einhergehende politische Positionierung. Problematisch ist sie deshalb, weil Kultureinrichtungen nicht als links-grüne Intellektuellenbastionen wahrgenommen werden sollten (auch wenn sie das vielleicht sind). Doch genau in diese Richtung geht der Trend. Sie spalten sich durch das Gendern wissentlich oder unwissentlich, gewollt oder ungewollt von einem Großteil der Gesellschaft ab. Das ist riskant. Denn obwohl nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung ins Theater und Museum geht, lehnen die allermeisten Bürger Schließungen von Kultureinrichtungen ab. Sie sind also bereit, ein Produkt mitzufinanzieren, das sie selbst gar nicht in Anspruch nehmen. Dass dieser Rückhalt der Gesellschaft momentan noch vorhanden ist, belegt unter anderem eine Studie von Birgit Mandel aus dem Jahr 2020. Demnach scheint „die Legitimation der Stadt- und Staatstheater in der Bevölkerung (…) derzeit nicht gefährdet, es deuten sich aber mittel- und längerfristig Legitimationsrisiken an, die vor allem von der demografischen Entwicklung ausgehen”.

Gibt es für Kultureinrichtungen in der Gender-Frage überhaupt eine Lösung?

Nein, keine befriedigende. Die meisten Kultureinrichtungen gendern, weil man das momentan eben so macht und weil viele aus dem Stammpublikum es gut finden. Meiner Einschätzung nach ist die Gefahr, dass es dadurch zu einer Frontenverhärtung kommt aber höher, als der Gewinn, der sich daraus ergibt. Denn kaum ein „Kulturgänger” würde einem Theater oder Museum den Besuch verweigern, nur weil dieses nicht gendert. Umgekehrt käme durch das Nicht-Gendern zwar auch kaum ein Besucher mehr, aber es würde der ohnehin weit verbreiteten Meinung, dass Hochkultur nur etwas für die Bildungselite ist, entgegenwirken. So versuchen Kultureinrichtungen derzeit einerseits zu zeigen, dass es sich hierbei nur um ein Vorurteil handelt, gleichzeitig zementieren sie es durch das Gendern. Und diese Distinktion ist gefährlich, eben weil Kultureinrichtungen die Unterstützung der Mehrheitsgesellschaft benötigen. 

Zurück zum generischen Maskulinum?

Wenn das Gendern aufgrund seines konzeptionellen Fehlers das biologische Geschlecht ständig zu erwähnen und seines gesellschaftsspaltenden Potenzials vermieden werden soll, was dann? Paarformen wie „Zuschauerinnen und Zuschauer”? Diese sind im Deutschen zwar sprachhistorisch verankert, jedoch (mindestens) so schlecht wie das Gendern, da sie ebenfalls suggerieren, dass Genus und Sexus dasselbe seien, und sie von zwei Geschlechtern ausgehen (was rechtlich problematisch ist, siehe Deutsche Bahn). Ein Entgendern nach Phettberg wäre rational betrachtet zwar ein guter Kompromiss, würde jedoch die Abgehobenheit des Kulturelfenbeinturms weiter verfestigen, da es einen noch stärkeren sprachlichen Eingriff darstellt. 

Bleibt das generische Maskulinum. Und das ist deutlich besser als sein Ruf. Denn wer der Auffassung ist, dass das Geschlecht keine Rolle spielen sollte, der sollte es auch nicht in jeden Begriff hineinquetschen. Leider wird einem derzeit von zig Seiten eingeredet, dass das generische Maskulinum das Patriarchat stärken und Frauen unsichtbar machen würde. Das ist, gelinde gesagt, Quatsch. Das generische Maskulinum ist geschlechtsneutral, es fördert eine einfache Sprache, ist sprachhistorisch verankert und wirkt der gesellschaftlichen Spaltung entgegen. Wer Englisch spricht, weiß die Vorzüge einer einheitlichen Form für Männer, Frauen und Nonbinäre zu schätzen. Warum sollte das im Deutschen nicht auch möglich sein?! Zumal wir das in einer Zeit vor 2020 schon beinahe hatten. So wäre denn die positiv konnotierte Wiedereinführung des generischen Maskulinums bei Kultureinrichtungen progressiver und mutiger, als mancher denkt. Und obendrein ein starkes Zeichen: gegen gesellschaftliche Spaltung, für mehr Zusammenhalt.

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