Kulturfinanzierung in Amerika: Vorbild oder Feindbild?

Während meines Studiums hat Prof. Armin Klein stets die mehrdimensionale Kulturfinanzierung gepriesen und postuliert, dass sie für deutsche Kultureinrichtungen zukünftig unumgänglich sein wird. In Amerika finanzieren sich Kultureinrichtungen schon seit jeher mehrdimensional. Was sich in wirtschaftlich schlechten Zeiten daraus ergeben kann, zeigt sich momentan: das Philadelphia Orchestra hat Konkurs angemeldet und die New York City Opera steht auf der Kippe. Klingt schlimm. Doch warum sollte es der Kunst besser gehen als anderen?

Grundsätzlich verschiedene Systeme

Die Kulturfinanzierung in den USA und in Deutschland lässt sich nur sehr, sehr schwer vergleichen, da die Systeme, die Kulturgeschichte, die Spendenkultur und die Einstellung der Menschen zur Kultur grundsätzlich anders sind. Steffen Höhne nennt das „kompetitiver Individualismus vs. solidarischer Etatismus“. Der ehemalige Präsident der USA Jimmy Carter beschreibt die amerikanische Denkweise so: „Eine Regierung muss sich darauf beschränken, fruchtbaren Boden für die Kunst und für die Liebe zur Kunst zu schaffen. Innerhalb dieser Grenzen kann die Regierung viel tun – und wir tun viel“ (Zitat aus unten angegebener Doku).
Das wirkt sich auch auf die Kulturförderung aus: So beträgt in den USA der staatliche Anteil an den gesamten Kulturausgaben rund 13%, private Spender finanzieren 43% und die Kulturbetriebe die restlichen 44% (siehe Auswärtiges Amt), wohingegen in Deutschland die öffentlichen Mittel rund 80 % ausmachen und die Kultureinrichtungen nur 20 % an Eigeneinnahmen verbuchen können (siehe Kulturfinanzbericht 2010). Absolut gab der Kulturstaat Deutschland – also Bund, Länder und Gemeinden zusammen – im Jahr 2010 rund 9,6 Millionen Euro aus. Wie bereits gesagt, kann das deutsche System aber nicht „einfach so“ umgestellt werden (sofern man das überhaupt wollte).

Unterstützung ja, aber nicht finanziell

In der äußerst sehenswerten Doku aus dem Jahr 2008 „Was Sie über die amerikanische Kultur wissen sollten“ (bei Bedarf an mich wenden) erklärt Robert Lnych, Präsident von Americans for the Arts, dass die Aufgabe seiner Organisation darin bestehe, den Mitarbeitern der Kultureinrichtungen eine professionelle Aus- und Weiterbildung anzubieten, sie bei der Lobbyarbeit zu unterstützen und Konferenzen und Treffen für sie zu veranstalten. Außerdem hat Americans for the Arts einen Verteiler mit 100.000 Abonnenten (!), an den sie jederzeit E-Mails schreiben können. Ein weiterer Vorteil einer solcher Einrichtung: Sie hat genug Finanzkraft um landesweit Werbung für Kultur zu machen. In Deutschland gibt es zwar den deutschen Kulturrat, aber der macht soetwas nicht. Ich habe hierzulande zwar schon Fernsehwerbung für die Milchlobby und die forschenden Pharmaunternehmen gesehen, aber Werbung, die Lust macht, mal wieder ins Theater zu gehen oder Gitarre spielen zu lernen? Fehlanzeige!

Die negativen Seiten des American Ways

Annie Dorsen, im Jahr 2008 Regisseurin im Performance Center PS 122, beschreibt die negativen Auswirkungen der amerikanischen Kulturfinanzierung so: „Alles orientiert sich sehr am Geschmack des Publikums (…). Wir reproduzieren immer wieder nur populäre Sachen. (…) Unterhaltung steht an erster Stelle“ (Zitat aus der Doku) und warnt europäische Kultureinrichtungen davor in Richtung „unabhängige Finanzierung“ zu gehen, da sich sonst der Staat all zu leicht zurückziehen könne – und zwar für immer. Außerdem spricht sie die prekäre Lage der Künstler an: „Um einmal für mich und meine Kollegen aus der Avantgarde zu sprechen: wir haben beide zwei oder drei Jobs. Das ist fast so, als ob deine eigentlichen künstlerischen Ambitionen zwischen zwei Brotberufen hin- und hergeschubst werden.“ Das ist alles andere als wünschenswert. Die Frage ist allerdings, ob das in Deutschland – wenngleich auf einem wesentlich höheren Niveau – sooo viel anders ist. Auch hierzulande können schließlich nur die wenigsten Künstler von ihrer Kunst (gut) leben. Auch in unseren Theatern werden gerne die alten Klassiker aufgeführt, weil sie Publikum und damit Geld bringen. Und im Württembergischen Landesmuseum wird beispielsweise die Ausstellung „Schätze des Alten Syrien“ über den Kassenschlager „Die Piraten“ querfinanziert.
Auf der anderen Seite kommt eine Vielzahl an hervorragenden B-Movies aus den USA, die Mash-Up-Szene hat hier ihren Ursprung und die Musikszene wird ohnehin von den USA dominiert. Dass es Herzschmerz verursacht, wenn die New York City Opera verschwindet, ist klar, aber warum sollte es Kultureinrichtungen besser gehen als so manchem Wirtschaftsunternehmen? Die Diskussion ist eröffnet!

10 Antworten

  1. Danke für die Gegenüberstellung der beiden Systeme. Ich bin immer etwas skeptisch, wenn es um die Frage geht, welches dieser Systeme denn nun eigentlich das bessere sei? Beide Ansätze basieren auf den Werten zweier doch ziemlich unterschiedlicher Gesellschaften und wer es bei uns gerne etwas amerikanischer hätte, muss sich erst einmal mit den Werten dieser Gesellschaft beschäftigen und wird recht schnell feststellen, dass unsere Gesellschaften nicht wirklich kompatibel sind. Selbiges gilt auch für die Art der Kulturfinanzierung.

    Natürlich können wir, so gewünscht, bestimmte Ansätze übernehmen, – so ist z.B. das Crowdfunding nun auch bei uns angekommen – aber das heißt nicht, dass sich ein System so einfach 1:1 übertragen lässt.

    Ohne in die Kristallkugel blicken zu können, werden sich vermutlich beide Ansätze in den nächsten Jahren verändern müssen oder durch neue Ansätze abgelöst werden, denn sowohl die USA als auch Europa gehören zu den Regionen, in denen es um die Wirtschaft gerade nicht so gut bestellt ist, was der Kunst vermutlich nicht zum Vorteil gereichen wird.

    Machen wir uns also auf die Suche nach einem ganz neuen Modell, Richtung USA müssen wir dabei nicht unbedingt schielen.

  2. Was die unterschiedlichen Gesellschaften und Werte anbelangt, stimme ich dir zu. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass Crowdfunding in Deutschland auch langfristig nur eine Randerscheinung bleibt.

    Ich bin ehrlich gesagt gespannt, ob und wenn ja wie sich das deutsche System in den nächsten Jahren verändert. Es wird zwar aller Orten viel geklagt, wenn man allerdings bedenkt, dass die Kulturausgaben von 2009 auf 2010 um 4,1 % gestiegen sind (und im Vergleich zu 2007 sogar um 13 %), dann frage ich mich, ob die Kultureinrichtungen in der Masse wirklich so knapp bei Kasse sind wie immer behauptet wird. Man darf dabei sicherlich die Inflation nicht außer Acht lassen und auch den Fakt, dass die Kulturausgaben im Jahr 2000 fast so hoch waren wie 2007, aber trotzdem scheint mir das große Jammern unangebracht. Sollte die finanzielle Not seitens der Kultureinrichtungen wiederum gar nicht sooo groß sein, wird sich schätzungsweise auch gar nicht sooo viel verändern (müssen).

  3. Die USA diskreditieren sich ja gerade als Vorbild in fast jeder Hinsicht und ich verstehe nicht, warum man in Deutschland höchstens mit Jammern und wenig überzeugenden Slogans wie „Theater muss sein!“ an dem bewährten und relativ krisenfesten Modell der Kulturfinanzierung grundsätzlich festhält, anstatt mit Stolz und Selbstbewusstsein. Das hat mit dem von Armin Klein gern beschworenen Strukturkonservativismus erstmal wenig zu tun. Es ist die politische Frage, ob uns die Pflege unseres kulturelles Erbe, darunter z.B. eine weltweit einzigartige Theaterlandschaft, eine Handvoll der weltbesten Sinfonieorchester und wertvollsten Kunstsammlungen, ein „paar Euro“ im Jahr Wert sind. Das Bekenntnis zu diesem Erbe ist dann zwangsläufig „strukturkonservativ“, weil es eben um das Konservieren von konservativen Strukturen geht. Die Frage, ob jede 130’000-Einwohner-Stadt ein eigenes Drei-Sparten-Haus braucht, ist ja dann immer noch eine andere.

  4. Gejammert wird ja zumeist seitens der Kultureinrichtungen und nicht seitens des Publikums. Und gejammert wird deshalb, weil Kultureinrichtungen als chronisch unterfinanziert gelten.
    Ich denke, dass die Öffentlichkeit schon stolz auf die deutsche Kulturlandschaft ist – sofern sie sich deren Einzigartigkeit bewusst ist. Das ist m.E. nicht der Fall. Deshalb würde ich mich freuen, wenn es eine große bundesweite Kampagne gäbe, die das herausstellt und die klarmacht, dass es so eine Dichte und Vielfalt nur hierzulande gibt. Dann käme vielleicht auch sowas wie Stolz auf.

    Politisch betrachtet halte ich den Strukturkonservatismus schon für ein Problem, denn dadurch wird vor allem schon Bestehendes konserviert, was zu Lasten der Förderung von Neuem geht (weil jeder Euro bekanntlich nur einmal ausgegeben werden kann).

  5. Stimmt, es gibt immer mehr Geld für den Kunst- und Kulturbereich, aber nicht unbedingt für die Kunst. :-)Es sind vor allem die großen Kultureinrichtungen, die davon profitieren und hier sind es dann meist die Personalkosten, die steigen. Neues entwickelt sich dabei nicht unbedingt.

    @Christian: dieses kulturelle Erbe interessiert immer weniger Menschen, insofern wird das mit der Wertschätzung immer schwieriger.

    Noch etwas anderes ist aber zu beobachten: trotz der nicht gerade vorteilhaften finanziellen Situation zieht es immer mehr Menschen in den Kunst- und Kulturbereich. Das kann nicht gutgehen, denn die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse ist jetzt schon sehr hoch. Hier gilt es gegenzusteuern…

  6. In meinen Augen ist ein Bekenntnis zur Hochkultur (die Diskussion, was das eigentlich genau ist, gabs ja vor kurzem hier im Blog) zwangsläufig ein Bekenntnis zum Strukturkonservatismus. Denn Oper und Theater z.B. wird mit einer „Medientechnologie“ (= Theaterbühne) betrieben, die vor 200 Jahren State of the Art war, die heute aber hoffnungslos veraltet ist. Das Theater und was dort gezeigt wird, ist Museum und egal wie wild aktualisiert und auf Heute getrimmt wird, wirklich Neues kann dort nicht entstehen, weil die Technik der Innovation Grenzen setzt. Deswegen muss man sich fragen, ob man das Erbe bewahren will, dann sollte man Theater und Museen wie bisher finanzieren oder oder eine kulturelle Innovationsförderung finanzieren möchte. Entscheidet man sich für zweites, Dann sollte man die öffentlichen Theater und Museen konsequent dicht machen, denn von denen ist in meinen Augen in dieser Hinsicht nicht viel zu erwarten.

    Auch wenn dieser Kommentar hier sehr polemisch klingen mag: ich bin absolut dafür, sich unser kulturelles Erbe etwas kosten zu lassen. Man sollte sich dann aber im Klaren darüber sein, dass man Strukturkonservativismus erhält, wenn man Strukturkonservativismus bezahlt.

  7. richig, aber die Diskussion wird nicht geführt, weil man auf die großen Kultureinrichtungen nicht verzichten mag. Der größte Teil des Budgets ist so bereits gebunden, für Innovation bleibt da nur noch ein trauriger Rest.

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