Zollverein

Urlaub im Ruhrgebiet?!

Das mag für viele komisch klingen. Komisch im doppelten Sinn. Denn auch sechs Jahre nachdem das Ruhrgebiet zur europäischen Kulturhauptstadt gekürt wurde, verbinden viele den Pott noch immer mit Kohle und Koks – statt mit Kunst und Kultur. Was ein Fehler! Entsprechend würde ich Tanja Praske, die in ihrer Blogparade #KultTrip nach Kulturtrip-Tipps fragt, mit Herbert Grönemeyer antworten: „Komm zur Ruhr!“

Oder zur Emscher! Das böte sich für Kunstliebhaber momentan sogar noch mehr an, denn es ist Emscherkunst. Vereinfach gesagt heißt das, sich aufs Fahrrad zu setzen, 50 km an der ehemaligen Köttelbecke entlang zu gondeln und dabei über 20 Kunstwerke im öffentlichen Raum anzuschauen. Auf dem Weg von Holzwickede über Dortmund, Castrop-Rauxel, Recklinghausen bis nach Herne trifft man unter anderem auf Werke von Ai Weiwei, Mark Dion und Roman Signer. Eine solche Radtour zeigt dem unbefleckten Nicht-Ruhri bereits, dass das Ruhrgebiet mittlerweile mehr grün als grau ist.

Was man aus Zechen machen kann: alles

In gewisser Weise lässt sich die Emscher bereits als Industriekultur betrachten, bestand sie doch bis in die 90er Jahre hinein aus einer Melange aus privaten und industriellen Abwässern. Bis 2020 soll ihre Renaturierung abgeschlossen sein (läuft!). Das Herz des Ruhrgebiets, genauer gesagt die Herzen sind jedoch die vielen stillgelegten Zechen, die gänzlich unterschiedlich umgenutzt wurden. Manche sind Denkmäler, Museen, Parks oder Event-Locations, andere Kreativzentren, Büroflächen, Hotels, Restaurants oder, oder, oder. Zu fast allem wurden sie schon umgebaut. Die Zeche Zollverein in Essen ist nicht nur Unesco-Weltkulturerbe und schönste Zeche der Welt, sondern auch ein Best-Practice-Beispiel dafür, welches Potenzial in den ehemaligen Industriebrachen steckt. Eine Führung über die Anlage und ein Besuch des Red Dot Design Museums ist meines Erachtens Pflicht. Da momentan die Ruhrtriennale läuft und Zollverein natürlich auch bespielt wird, bietet sich der Besuch einer Veranstaltung (z.B. einer Tanz-Performance) an.

Industriekultur zum selbst Entdecken

Weitere industriekulturelle Highlights im Ruhrgebiet sind das Gasometer in Oberhausen, das einen in eine andere Welt entführt, und der Landschaftspark Nord in Duisburg, der wesentlich cooler ist als es die olle Website vermuten lässt. Denn auf dem stillgelegten Hüttenwerk kann man sich quasi frei bewegen und so manchen Hochofen erklimmen. Ich weiß noch genau, wie ich das erste Mal dort war und es gar nicht fassen konnte, dass man in Deutschland (!) ganz alleine (!) ein stillgelegtes Hüttenwerk inklusiv Hochofen (!) besteigen darf. Da kann doch schließlich was passieren!!!1!!1!

Keine Berge, Halden!

Wo Zechen sind, sind auch Halden. Denn irgendwo musste das wertlose Material, das taube Gestein (wie der Bergmann sagt), das beim Abbau der Kohle angefallen ist, ja hin. Und so gibt es im sonst flachen Ruhrgebiet zahlreiche Hügel mit Kunst obendrauf, so genannte Landmarken. Zu den beeindruckendsten gehören meiner Meinung nach „Tiger and Turtel“ auf der Heinrich-Hildebrand-Höhe in Duisburg, das Tetraeder in Bottrop und die Halde Hoheward in Herten. Diese drei in einer einzigen Radtour zu kombinieren, bietet sich aufgrund der Distanzen leider nicht an, auf jeden Fall sollte man einen Teil der Route der Industriekultur aber mit dem Rad abfahren und sich dabei die ein oder andere Halde anschauen. Allein schon aus sportlichen Aspekten empfiehlt sich das. 😉 Wenn man auf dieser Strecke am Nordsternpark in Gelsenkirchen, der Jahrhunderthalle und dem Bergbaumuseum in Bochum oder dem Phoenix-See in Dortmund vorbeikommt, wo es eine ausgezeichnete Wurst mit Soße gibt, umso besser. In Kombination mit den bereits genannten Tipps ist man in Sachen Industriekultur dann schon gut gerüstet – und kann sich anderen Sachen widmen.

Kunst, Fußball und Bier

Obwohl es im Ruhrgebiet mit dem Museum Folkwang in Essen und dem Lehmbruck Museum in Duisburg mindestens zwei ausgezeichnete Kunstmuseen gibt und das Zentrum für Lichtkunst in Unna toll ist, würde ich (zumindest bei einem Kurztrip) nicht allzu viel Zeit der Bildenden Kunst widmen, sondern sie eher „mitnehmen“, wenn sie auf dem Weg liegt. Wenn man im Dortmunder U ist – und da muss man allein schon wegen dem Hartware MedienKunstVerein (HMKV) hin – bietet es sich derzeit beispielsweise an, sich Dieter Roths „Schöne Scheiße“ anzuschauen. Weiteres Highlight momentan: die Veranstaltungsreihe „Sommer am U“.

Fünf Gehminuten vom U entfernt ist das 2015 eröffnete Fußballmuseum, das mit 15 Euro Eintritt (Online-Preis) zugegebenermaßen teuer ist, hinsichtlich des Ausstellungsdesigns jedoch neue Maßstäbe setzt. Wesentlich bodenständiger, familiärer und unaufgergeter kommt das Brauerei-Museum in der Nordstadt daher. In Anbetracht dessen, dass Dortmund früher Europas Bierhauptstadt war, macht ein Besuch durchaus Sinn. Anschließend sollte man diverse Dortmunder Biere (insbesondere das Bergmann) auf ihre Qualität hin überprüfen. Wenn nicht gerade Sommerpause wäre, würde ich als Abendprogramm das unter Kay Voges zum Top-Theater avancierte Schauspiel Dortmund empfehlen, aber momentan ist Sommerpause. 🙂

Action, bitte!

Kommen wir nun zu den Nicht-Kultur-Tipps, von denen ich leider nur die Kanu-Tour bislang gemacht habe.  Auch wenn ich also nicht aus eigener Erfahrung sprechen kann, so würde ich einen Ruhrgebiets-Touri auch auf folgende Angebote hinweisen: den Trampolinpark , das Schwarzlicht-Mini-Golf und die Hafenrundfahrt in Duisburg, das Caracho-Modellrennbahn-Center in Recklinghausen, den Movie Park und die Indoor-Skydiving-Halle in Bottrop, die Möglichkeit Bagger zu fahren in Kerken (nahe der holländischen Grenze), Kanu-Touren auf der Ruhr, die zahlreichen Kartbahnen und Hochseilgärten im Ruhrgebiet sowie der Flug im Heißluftballon übers Ruhrgebiet.

In dieser Karte habe ich die genannten Tipps und ein paar mehr markiert:

4 Antworten

  1. Lieber Axel,

    ich habe mich sehr über deine erneute Teilnahme an einer Blogparade bei mir gefreut. Vor allem gefällt mir dein Thema – das Ruhrgebiet – schließlich komme ich ursprünglich nicht weit davon „weg“, wie die Ostwestfalen sagen würden. Um ein Haar hätte ich sogar meine Lehre als Reiseverkehrskauffrau in Dortmund begonnen – sollte nicht so sein. Trotzdem fühle ich mich der Region verhaftet, auch wenn ich kaum Kontakt, außer den Netzkontakten, dazu habe.

    Allein Zechen und Industriedenkmäler üben einen großen Reiz auf mich aus. Danke also für diesen prima Parcours durchs Ruhrgebiet, zur Emscher Kunst. Hierzu hat übrigens Wera Wecker den Radl- und Kunstkatalog als #KultTrip besprochen: https://kulturundkunst.wordpress.com/2016/07/29/artbookfriday-emscher-kunst/ – das nur als Ergänzung.

    Dein Beitrag ist der 26. und ich bin über die Vielfalt sehr begeistert!

    Sonnige Grüße
    Tanja

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