In den letzten Wochen ist es ruhig auf diesem Blog geworden. Unter anderem deshalb, weil ich meinen Wohnort gewechselt habe und seit Dezember als Online-Redakteur in Teilzeit bei der IHK Düsseldorf arbeite. In diesem Beitrag schreibe ich, warum jemand wie ich, der sich die letzten sieben Jahre mit Kultur, Kulturwissenschaften und Kulturmanagement auseinandergesetzt hat, nun nicht mehr hauptberuflich im Kulturbetrieb arbeitet.
Warum ich Kulturmanager werden wollte
Um meinen Branchenwechsel zu verstehen, sollte man wissen, warum ich überhaupt Kulturmanager werden wollte. Im Wesentlichen gab es dafür drei Gründe: 1. Weil ich Kunst und Kultur liebe. 2. Weil ich mich für eine gute Sache einsetzen wollte. 3. Weil ich im Kulturbetrieb die Chance sah, etwas positiv zu verändern. Spätestens nach der Lektüre von Armin Kleins „exzellentem Kulturbetrieb“, wusste ich, dass ich der sein wollte, der die Kulturbranche vorantreibt und revolutioniert. Klingt größenwahnsinnig, war aber so. Vielleicht habe ich mich zu viel an den „Crazy Ones“ orientiert…
Dass man im Kulturbetrieb nicht sonderlich viel verdient, dafür viele Überstunden macht, war mir klar. Doch das war auch nicht der Grund, weshalb ich mich entschieden habe „auszusteigen“. Nein, geärgert haben mich ganz andere Sachen.
Money, Money, Money
Markus Roboch hat vor einigen Monaten beim Treffpunt Kulturmanagement Oscar Wilde zitiert: „When bankers get together, they talk about art. When artists get together, they talk about money.” Genau genommen reden Künstler nicht von Geld, sondern von Kein-Geld. An den Bühnen sind es neben Praktikanten und Volontären vor allem Schauspieler, die sich an dem Spruch „weniger ist mehr“ erfreuen können. 2010LAB.tv schreibt: „Im Idealfall erhält ein Berufsanfänger/Absolvent einer Schauspielschule im ersten Festengagement am Theater gemäß dem ‚Normalvertrag Bühne‘ bundesweit tariflich 1.600 Euro brutto pro Monat.“ Im Vergleich dazu kann man sich als Kulturmanager nicht beklagen. Das Problem ist allerdings, dass der finanzielle Druck in den Kultureinrichtungen enorm hoch ist und folglich in allen Bereichen geknausert wird, von denen man nicht weiß, wann bzw. ob sie sich rentieren. Und da guckt man als Online Marketer natürlich dumm aus der Wäsche. Denn Sachen wie Image- und Service-Nutzen, die Erfüllung des Kulturauftrags oder die Verbesserung der Legitimität lassen sich nur schwer in Euro messen. Und welche Antwort soll man denn auf Fragen wie z.B. „Wie viel reale Besucher bringt uns Facebook und Twitter?“ oder „Wie stark steigen unsere Einnahmen, wenn wir unsere Website relaunchen?“ geben (die ja so dumm sind, dass man sie gar nicht beantworten kann!).
Wer interessiert sich für Qualität?
Es ist ein bisschen witzig, dass ausgerechnet die Kulturleute, die gemeinhin als kapitalismuskritisch gelten, sehr stark in monetären und quantitativen Kategorien denken. Wichtig sind Einnahmen, die Menge an verkauften Tickets, die Auslastungsquote und nicht zuletzt die Anzahl an FB-Fans. Klar weiß jeder, dass man FB-Fans kaufen und Statistiken fälschen kann – und dennoch werden die nackten Zahlen verehrt. Ein gutes Theaterstück ist eines, das gut besucht ist. Bums. Jeder weiß, dass das quatsch ist. Doch weil qualitative Kriterien nicht objektivierbar sind („Was ist gute Kunst?“), glotzt jeder auf die Zahlen. Meines Erachtens ein großer Fehler.
Ist Kultur eine gute Sache?
Fehlendes Geld ist nicht das Hauptproblem der Kultureinrichtungen. Doch das scheinen die noch nicht begriffen zu haben. Das Hauptproblem ist die schwindende Legitimität. Das zeigt sich sehr gut an einem Kommentar zu Steffen Peschels Post zur Schließung des Theater Zittaus: „Ich konnte es nie leiden, wenn wir als Schulklasse ins Zittauer Theater gehen mussten. Da waren dann irgendwelche Stücken dran, die man eh nicht kapiert haben und die mit veralteter Technik gespielt wurden. Kam nicht an Fernsehen oder Kino heran.“
Theater und Filme qualitativ vergleichen, finde ich zwar problematisch, nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass die Verteilung der Kulturförderung ungerecht ist. Es reicht ein Blick auf die Kulturausgaben nach Sparten (siehe Kulturfinanzbericht 2010), um zu merken, dass wir in Deutschland ein völlig überkommenes System pflegen. Selbst innerhalb der Sparten herrscht Ungerechtigkeit. Wenn man beispielsweise die Höhe der Zuschüsse für die Theater in einer Stadt vergleicht, so fragt man sich schon, wer hier die Förderungen auswürfelt. Das Verfahren lautet ungefähr so: Die Kultureinrichtungen, die schon immer was bekommen haben, bekommen auch zukünftig Geld. Die, die noch nie was bekommen haben, auch zukünftig nichts.
Genauso gut kann man auch die Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der Kulturbetriebe selbst hinterfragen. Auch wenn die Orchestermusiker das anders sehen, so sind sie im Vergleich mit Schauspielern und Tänzern noch immer sehr gut gestellt und neben Praktikanten wirken sie wie Millionäre. Ist das gerecht?
Neben der Frage, ob Hochkultur tatsächlich so hoch ist, wie oftmals behauptet wird (siehe mein Blogpost zu diesem Thema), gibt mir die oben genannte Ungerechtigkeit innerhalb des „Kultursystems“ schon sehr zu denken. Kultur mag ich nach wie vor sehr, den Kulturbetrieb hingegen eher geht so.
Veränderung unerwünscht
Man braucht sich als frisch gebackener Social Media Beauftragter im Kulturbereich übrigens nicht einbilden, dass man selbst entscheidet was getwittert und gepostet wird. Nein, das kommt schön von oben. Top-down heißt die Devise. Und weil die Künstler, Regisseure, Intendanten, das Publikum und eigentlich alle Stakeholder eines Theaters sehr sensibel auf alles reagieren, sollte man besser nichts schreiben, was irgendwie falsch verstanden werden könnte. Bloß nicht irgendjemanden vergraulen! Also bitte keine Ironie! Bitte keinen Spaß! Bitte keine Sprüche! DENN DIE GEFAHR DER ULTIMATIVEN VERFLACHUNG DROHT! Was sollen bloß die Nachbarn denken??? Also am besten immer nur Sachen zweitverwerten. Veranstaltungen ankündigen, Zeitungsrezensionen posten (nur die positiven!), Veranstaltungen ankündigen, aktuelle Angebote anpreisen und Veranstaltungen ankündigen. Sowas!
Sofern die Marketingabteilung irgendwann einmal ein Web 2.0-Seminar belegt hat, darf der Social Media Beauftragte vielleicht einen eigenen Blog betreiben und einen Blick hinter die Kulissen wagen. Dass sich anno 2011 dafür niemand mehr interessiert, weil dieses Thema schon viel zu viel Kultureinrichtungen abgevespert haben und weil die meisten Blogbeiträge unglaublich langweilig geschrieben sind und keine interessanten Informationen beinhalten, ist den Kultureinrichtungen egal. Was 2009 gut war, kann 2011 schließlich nicht schlecht sein! Dumm nur, dass Internetjahre Hundejahre sind und zwei reale Jahre ungefähr 14 Internetjahren entsprechen. 2011 was zu machen, was 2009 hip war, ist ungefähr so wie „It’s my life“ von Bon Jovi als nächsten Sommerhit anzukündigen. Mit Transmedia Storytelling braucht man da gar nicht anfangen, mein lieber Frank Tentler! Und mit Kooperationen mit der Games-Industrie und Community Building auch nicht, mein lieber Christoph Deeg! Wobei ich zugegeben muss: Ja, das kann funktionieren! Aber nur, wenn der „Chef“ hinter der Sache steht und Internetkultur selbst lebt, wie etwa Werner Lippert vom NRW-Forum.
Sämtliche anderen Social Media Beauftragten von Kultureinrichtungen weinen jede Nacht. Das ist übrigens keine reine Axel-Kopp-Behauptung, sondern das Fazit von diversen 4-Augen-Gesprächen, die ich u.a. auf der letzten startconference geführt habe. Der Illusion, man könnte als einfacher Social Media Beauftragter die Organisationskultur einer Kultureinrichtung verändern, sollte man sich lieber nicht hingeben. Da wird man sich nur gnadenlos aufregen müssen und im Endeffekt doch nichts erreichen. Ich spreche aus eigener Erfahrung…
Wie Kultureinrichtungen offener, transparenter und innovativer werden, darüber wurde auf Christoph Deegs Blog Ende Juli schon kräftig diskutiert (letztlich aber ergebnislos). Meiner Meinung nach geht es nur Top-down und nicht Bottom-up. Das heißt für jemanden wie mich: entweder man hat ein verdammt glückliches Händchen und erwischt eine Kultureinrichtung mit einer zweinulligen Organisationskultur oder man lässt es besser. Und weil mir das glückliche Händchen bislang gefehlt hat, war mein Ausstieg aus der Kultur nichts mehr als eine logische Konsequenz.
P.s. Da ich Kultur nach wie vor liebe und bei der IHK nur Teilzeit arbeite, habe ich durchaus Zeit, um nebenher Kultur zu machen. Kennt jemand spannende Projekte in und um Düsseldorf?
Schreibe einen Kommentar