Kunstakademie-Duesseldorf

Zur Lage der (Off-)Kultur in Düsseldorf

Düsseldorf hat große Kunstmuseen. Viele Galerien. Eine wunderschöne Tonhalle. Ein tolles Ballett. Eine Oper für alte Leute. Ein Schauspielhaus mit Wurm drin. Und noch viel mehr. Um dieses „Noch viel mehr“ soll es im Blogpost gehen. Ein idealer Beitrag also für Leute, die neu in Düsseldorf sind. Abschließend wage ich noch einen Blick in die kulturelle Zukunft der Stadt.

Zu meinem Background: Die vergangenen vier Jahre habe ich in Düsseldorf gewohnt und fast so lange war ich in der Off-Kultur-Szene aktiv – vornehmlich als Veranstalter und Junge-für-Alles im damenundherren, letztes Jahr dann auch beim 40 Grad Urbanart Festival. Außerdem war ich maßgeblich beim Verfassen der kulturpolitischen Forderungen der Off-Kultur-Szene beteiligt.

Die Großen unter den Kleinen: FFT, NRW-Forum und Zakk

Wer abgefahrenes und experimentelles Theater mag (ich), ist im FFT gut aufgehoben. She She Pop, Machina Ex, half past selber schuld, Holtzinger & Riebeek, Kötter/Fischbeck/Becker und Ariel Efraim Ashbel sind nur ein paar freie Theatergruppen, von deren Inszenierungen ich begeistert war. Nein, das ist kein Namedropping, das sind Empfehlungen! Auch wenn’s manchmal anstrengend war im FFT, bereut habe ich keinen einzigen Besuch. Herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Theaterpreis des Bundes! Das Tanz-Pendant zum FFT wäre das Tanzhaus NRW, in dem ich jedes Jahr genau einmal war. War immer gut, ist aber halt Tanz und damit nicht so 100 Prozent meins.

Das NRW-Forum hat Werner Lippert in den Nullerjahren als Ausstellungshaus für Fotografie, Film, Mode und Design groß gemacht, 2014 lag es dann halbtot herum und 2015 wurde es mit Kurator Alain Bieber wiederbelebt. Zugegeben, anfangs mochte ihn nicht, weil ich seine „1UP“-Show für einen billigen Abklatsch „meiner“ PechaKucha hielt. Aber er passt hervorragend zu Düsseldorf, zum NRW-Forum und in unsere Zeit. Denn er ist ein Meister der Vernetzung. Gleich zu Amtsbeginn hat er quasi die komplette Düsseldorfer Künstler- und Kreativszene in irgendeiner Form (wahrscheinlich per iFrame) eingebunden oder ist mit ihr KaffeeBier trinken gegangen. Seine erste Ausstellung, „Ego Update“ (Kritik), war inhaltlich und besuchermäßig ein Erfolg und mit dem Internetstadl steht das nächste Highlight bereits vor der Tür. Gut und mutig, dass er gleich zu Beginn so viel Neues wagt und seinen Weg geht. Vielleicht ist Alain an der ein oder anderen Stelle ein bisschen zu oberflächlich, zu Hipster, zu Hashtag, zu „Hauptsache anders“, aber ich glaube, dass er mit seiner Art und seiner Veränderungsbereitschaft Düsseldorf verdammt gut tut.

Man könnte auch sagen: Genau so einer wie Alain Bieber fehlt dem Zakk, dem wohl bekanntesten und größten alternativen Veranstaltungsort in Düsseldorf. Obwohl dort viele gute Sachen stattfinden, fehlt es dem Zakk an Format. Hier findet alles, wirklich alles statt, was auch nur annähernd was mit Kultur oder Politik oder Party oder Teilhabe zu tun hat, solange es halbwegs alternativ, links, ökologisch, sozial oder gegendert ist. Seine Besucher hat das Zakk trotzdem, weil die auftretenden Künstler gut sind, aber es mangelt an coolen, zeitgemäßen eigenen Ideen. Meiner Meinung sollte das Zakk irgendwann mal anfangen, seine 68er-Patina loszuwerden. Wir haben schließlich schon 2016!

Die Off-Kultur-Vereine

Düsseldorf ist nicht Berlin, aber es gibt durchaus eine Off-Kultur-Szene Szene. Medial wird diese mittlerweile Dank RP und TheDorf auch gut unterstützt. Das damenundherren ist mit seinen über 100 Mitgliedern der größte Off-Kultur-Verein, leider haben Kreativität und Lautstärke in den letzten Jahren ein wenig abgenommen, das Durchschnittsalter hingegen zugenommen. Die 20 bis 35-Jährigen tummeln sich doch eher in der geschätzt 20 qm kleinen Brause, in der extrem viele Bands (meist Singer-Songwriter) auftreten und relativ viel Neues ausprobiert wird. Der Reinraum, eine ehemalige unterirdische Toilettenanlage, ist eigentlich die coolste Off-Location in Düsseldorf. Der Verein hat jedoch wenig aktive Mitglieder, so dass pro Monat nur etwa eine Veranstaltung stattfindet. Im WP8 geht mehr, allerdings verkehren dort relativ viel kaputte Leute. Ich fand’s geil, kann aber verstehen, dass das manchen zu runtergerockt ist. Nur ein Steinwurf davon entfernt ist das noch junge W57, in dem sich viele Kunst- und Designstudenten tummeln und wo Partys erst so um 2 Uhr richtig losgehen. Früher oder später wird das Ding aufgrund von Brandschutzbestimmungen wohl dichtgemacht, weshalb man bis dahin zu allen Vernissagen (=Partys) gehen sollte. Nicht mehr wirklich Off und auch kein Verein, sondern eine Stiftung, aber trotzdem cool ist das Weltkunstzimmer, das gefühlt deutlich weiter draußen liegt, als es eigentlich ist. Vermutlich deshalb geht in der ehemaligen Backfabrik nur selten die Luzi ab, was schade ist, denn die Location hat unglaublich viel Potenzial.

Einzelne Macherinnen und Macher

Wenn man was losmachen will, braucht man keinen Verein. Einige Beispiele aus Düsseldorf zeigen das wunderbar. Ich denke da an Florian Kuhlmann, der mit seinem Digital Empire einer der wenigen ist, der sich mit Netzkunst beschäftigt. Ausstellungen sind zwar selten, dafür stets einen Besuch wert.

Klaus Klinger ist der Grandseigneur der Düsseldorfer Streetart (er würde diese Bezeichnung vermutlich hassen). Über seine Kunst lässt sich streiten, sein jahrzehntelanger Einsatz für Urbanart ist jedoch unbestreitbar. Unter anderem war er mitverantwortlich für die Hausbemalungen in der Kiefernstraße und für das 40 Grad Urbanart Festival 2013 und 2015. Außerdem ist er ein verdammt cooler Typ.

Text, Ton, Applaus“ ist eigentlich eine Veranstaltungsreihe, besteht aber aus einer Gruppe von Leuten, die allesamt auch anderweitig Kultur machen: Christine Brinkmann (z.B. Songslam), Verena Meis (z.B. ausreihe3), Mareike Götzinger (z.B.  ehemals wortkunst), Michael Wenzel (z.B. Sonny Wenzel & Freunde) und Sven-André Dreyer (z.B. Lies, du Sau!).
André Janssen hat in den letzten Jahren unglaublich viele Konzerte für die Brause und zuletzt für das „Sommersprossen Open Air“ im Vier Linden organisiert. Erwähnenswert ist er auch wegen seinem neuesten Veranstaltungsformat „Four Rooms“, das in einem Hostel stattfindet.

Zumindest kurz erwähnen sollte ich wohl auch Henry Storch von Unique Records, Schallplattenaufleger Haru Specks und Daniel Fritschi (irgendwas mit elektronischer Musik, Clubs und Kunst). Es gäbe noch viele, viele mehr, die man nennen könnte, aber irgendwann muss man auch mal einen Punkt machen.

Die Privaten: Kassette und Butze

Gerne wird ja zwischen gemeinnützig und kommerziell unterschieden. Manchmal sind die Grenzen aber dünner als einlagiges Klopapier in öffentlichen Toiletten. So auch bei der Café-Bar Kassette und dem Kneipenkollektiv Butze. In beiden Läden finden coole Veranstaltungen statt (z.B. Konzerte, Open Mics, Bingo Abende, Platten-Pingpongs, Mixed Shows und Filmabende), die mindestens genauso Off-Kultur sind wie oben genannte Vereine und mit denen sie auch nicht wirklich Geld verdienen. Aus kulturpolitischer Sicht muss man sich da durchaus die Frage stellen, warum Vereine für ähnliche Programmpunkte gefördert werden, solche Läden aber nicht. Schwierig…

Braucht Düsseldorf einen Kulturentwicklungsplan?

Ja, wenn sich dadurch wirklich was ändert und man das durchaus beachtliche Kulturetat in Höhe von 132 Millionen (2016) neu verteilt. Nein, wenn es nur darum geht, sich selbst zu feiern und 200.000 Euro von A nach B zu schieben. Nach letzterem sieht es aus, zumal die beauftragte KuPoGe nicht gerade als Speerspitze der Innovation gilt und keine „harten“ Empfehlungen gibt (z.B. das Goethe-Museum zu schließen). Und selbst wenn Projektleiter Patrick Föhl konkrete Maßnahmen ausgäbe, müsste sich die Ampel-Koalition anschließend darauf einigen, diese umzusetzen, und dann würden zehn Menschen ihren ach so geliebten Job verlieren und auf die Barrikaden gehen und ihre jeweils 100 Facebook-Freunde mitbringen und dann ist da ein Riesentrara und die Politik sieht sich gezwungen, das dann noch nicht so zu machen. Zumal ja alle bis auf Klaus Klinger mit der jetzigen Situation ganz zufrieden sind oder zumindest damit leben können. War ja schon immer so… Und wird deshalb auch so bleiben. Veränderung braucht Kraft, Ausdauer und Wille. Und die ist im Hinblick auf die Kulturpolitik in Düsseldorf leider nicht vorhanden.

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